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Strammes Programm

„Gigantische Visionen. Architektur und Hochtechnologie im Nationalsozialismus“, „Arktos. Der polare Mythos zwischen NS-Okkultismus und moderner Esoterik“, „Charakterwäsche. Die Re-Education der Deutschen und ihre bleibenden Auswirkungen“ aber vor allem „Wie man einen Militärputsch inszeniert“ oder „Sniper. Militärisches und polizeiliches Scharfschützenwissen kompakt“: Eigentlich könnte es man es fast mit der Angst zu tun bekommen, wenn man sich an der Universitätsbibliothek Graz die Produkte des Ares-Verlags ausborgt. Und bekäme man es gar mit VerfassungsschützerInnen zu tun, hätte man mit diesem Buchgepäck unter gewissen Umständen womöglich auch ein wenig Erklärungsbedarf.

Es ist in der Tat ein sehr eigenartiges Universum, das dieser Verlag aufspannt – zwischen Nazi-Esoterik und praktischen Tipps, wie man Menschen abknallt. Hinzu kommen Bücher über Spionage, etwa von Helmut Roewer, einem Ex-Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, der wegen Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den deutschen „Döner-Morden“ heftig kritisiert worden war. Bei Ares veröffentlicht aber auch der rechte FPÖ-Rand, Martin Graf und Barbara Rosenkranz. Hier erscheint auch die spröde Rechtsaußenzeitschrift Neue Ordnung. In der UB ist diese übrigens nicht frei zugänglich, die neuen Ausgaben sind in einem Büro versperrt und werden gegen Abgabe eines Ausweises ausgehändigt. Ausgaben der Zeitschrift seien, so erzählen UB-MitarbeiterInnen, häufig gestohlen worden. Obwohl am Cover dieser Produkte stets der Name des griechischen Kriegsgottes prangt, verbirgt sich dahinter der Leopold-Stocker-Verlag. Es handelt sich dabei um eine jener Institutionen, die Graz seit Jahrzehnten den Ruf eines Zentrums der deutschsprachigen Rechtsaußenpublizistik eingebracht hat: 1917 von Leopold Stocker (1886- 1950), einem Agraringenieur, gegründet, spezialisierte sich der Verlag auf landwirtschaftliche Fachliteratur. Gleichzeitig publizierte Stocker von Beginn an aber auch antisemitische Hetzschriften wie Karl Paumgarttens „Juda“ und später auch Hardcore-Nazipropaganda. Auch nach 1945 blieb man stramm rechts: Selbst nachdem David Irving wegen Wiederbetätigung in Österreich gesucht wurde, hatte man ein Werk des zeitweiligen Holocaust- Leugners im Verlagsprogramm.

Nichtsdestotrotz regnete es offizielle Anerkennungen, die auf steirische Initiativen zurückzuführen waren – die lokale ÖVP hatte zwischen den Landeshauptmännern Josef Krainer Senior und Josef Krainer Junior traditionell nie Berührungsängste mit Rechtsaußen: Noch 1992 wurde Wolfgangs Mutter Ilse Dvorak-Stocker (1922-2011) vom Bundespräsidenten zur Professorin und 1996 zur Bürgerin der Stadt Graz erklärt, 2002 folgte das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

Nachdem der Verlag aber Anfang des vergangenen Jahrzehnts ob fragwürdiger Veröffentlichungen und Verbindungen nach ganz Rechts zunehmend politischer Kritik ausgesetzt war, suchte Wolfgang Dvorak-Stocker die Flucht nach vorne. Einerseits lagerte er 2004 bisweilen fragwürdige historische, militärische und rechtsaußenesoterische Publikationen in den neuen Ares-Verlag aus. Im Unterschied zu landwirtschaftlichen Publikationen macht er damit aber keine Gewinne: Laut der letzten veröffentlichten Jahresbilanz hat Ares seit seiner Gründung mehr als eine halbe Million Euro an Verlusten kumuliert.

2006 entzog er politischen GegnerInnen schließlich eine weitere Angriffsfläche: Dvorak-Stocker verzichtete auf die von Josef Krainer Junior 1993 verliehene Ehre, das steiermärkische Landeswappen führen zu dürfen. Beide Schritte, Wappenverzicht und Ares- Ausgliederung, lassen sich als Versuch interpretieren, wirtschaftlichen Kollateralschaden vom Stammhaus fernzuhalten. Im Landwirtschaftssektor zählt man nach wie vor zu den führenden österreichischen Verlagen.

Dvorak-Stocker selbst erklärt nun gerne, dass er mit der NS-Ideologie nichts zu tun haben möchte. Er versucht sich als wehrhafter und rechter Katholik zu positionieren. Und er empörte sich über die islamophoben Äußerungen der FPÖ-Politikerin Susanne Winter und rief im Jänner 2008 sogar JournalistInnen an, um seinem Protest dagegen Ausdruck zu verschaffen. Gleichzeitig klagt er zivilrechtlich, wenn auch zumeist vergeblich, KritikerInnen, die polemisch auf fragwürdige Publikationen seiner Verlage hinweisen. Und Dvorak-Stockers Neue Ordnung schreibt etwa davon, dass Gerd Honsik „wegen dissidenter Äußerungen zur Zeitgeschichte“ verurteilt worden sei. Eine deutliche Distanzierung von NS-WiederbetätigerInnen und Neonazis á la Honsik würde anders klingen. Aber auch eine Fehlstelle wirft Fragen auf: Obwohl Wolfgang Dvorak- Stocker nunmehr bereits 15 Jahre den Verlag leitet und somit, wenn er es ernst meinte, auch Zeit gehabt hätte, gibt es nach wie vor keine kritische Aufarbeitung der Verlagsgeschichte mit einer umfassenden Publikation. Eine solche hatte der Firmenchef 2005 explizit für das Neunzigjahrjubiläum des Verlags im Jahr 2007 angekündigt. Passiert ist aber nichts.

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