Credits: www.stoffderheimat.at
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„Instrumentalisierung der Tracht hinterfragen“

Libelle: Wie kam es zur Idee einen Film dezidiert zur Tracht zu machen?
Othmar Schmiderer: Das Projekt hat eigentlich mich abgeholt. Über die Vermittlung von einem guten Freund, dem Autor Bodo Hell, ist ein Kontakt zur Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer zustande gekommen. Sie ist an mich herangetreten und hat mich gefragt einen Film über Trachten zu machen. Im ersten Moment war ich eher skeptisch. Da ich mich mit meinen letzten Projekten aber sehr mit Fragen wie „Was heißt der Begriff Heimat?“ und „Wie verhält man sich in einem fremden Land“ beschäftigte, kam ich nach längerem Nachdenken zum Schluss, dass es nicht schlecht wäre wieder einmal vor der eigenen Haustüre zu kehren. Ich bin selbst auf dem Land, im Pinzgau, aufgewachsen und viele Erinnerungen an Trachten waren damit verbundenen. Durch das sehr ambivalente Gefühl – ich war in den 50er und 60er Jahren oft mit Autoritätspersonen konfrontiert, die noch stark vom Nationalsozialismus beeinflusst waren – fand ich es dann sehr interessant an die Sache heranzugehen und die Trachten phänomenologisch zu betrachten.

Im Film werden auch einige Heimatvereine gezeigt. War es einfach sie zur Mitarbeit zu bewegen oder begegnete man Ihnen mit Misstrauen?
Die Vereine waren relativ offen, das lag aber auch daran, dass Elsbeth Wallnöfer, die auch Co-Autorin des Filmes ist,  gute Vorarbeit geleistet hat.  Es hat in diesem Bereich kaum Probleme gegeben.

Kritische Stimmen im Film kommen hauptsächlich von Trachtträgerinnen und Trachtträgern. Hat man außerhalb die Kommentierung verweigert?
Nein, es war eine bewusste Entscheidung im betroffenen Umfeld dieses Phänomen zu beleuchten. Abgesehen davon, dass es ein leichtes wäre kritische Stimmen von außen zu bekommen und die Tracht in die Pfanne zu hauen, wollten wir vor allem einen differenzierten Blick auf dieses Phänomen werfen und vielleicht einen Diskurs entfachen. Es gibt hier einige interessante Fragen wie „Was ist die Tracht eigentlich?“, „Inwieweit ist sie historisch belastet?“, „Wie geht man damit um?“ und „Wieweit wird sie heute noch instrumentalisiert?“.

Andreas Kronthaler wird mit den Worten „Der ganze Staub der Tracht gehört weg“ zitiert. Im Film kommen sehr kitschige Trachten vor, aber auch sehr progressive Zugänge. Wird die Tracht irgendwann einmal ein Modeaccessoir sein, dass man aus dem Kleiderkasten nimmt und mit x-beliebigen anderen Kleidungsstücken kombiniert?
Zum Teil passiert dies schon. Es gibt inzwischen sehr viele verschiedene Zugänge. Ich sehe den spielerischen Umgang damit auch sehr positiv. Es gibt Modemacherinnen wie beispielsweise Susanne Bisovsky in Wien, oder Lena Hoschek in Graz die mit Anlehnungen an die Trachten wunderbare Mode machen. Es gibt aber auch traditionelle Trachtenhersteller, die einen handwerklichen Umgang auf höchstem Niveau pflegen und es ist etwas tolles, wenn man diese Materialität, diese Stofflichkeit wirklich spüren kann. Gleichzeitig gibt es viele Vereine, die hängen geblieben sind im Gestern und es nicht zulassen sich zu öffnen. Diese schaffen es oft nicht, die Prägungen und Instrumentalisierungen der Tracht zu hinterfragen. Mitunter werden hier gewisse Tatsachen auch sehr gerne noch immer unter den Teppich gekehrt.

Wie hat sich ihr persönliche Einstellung zur Tracht im Laufe der Dreharbeiten verändert?
Für mich bleibt nach wie vor ein ambivalentes Verhältnis zur Tracht aufrecht. Dies hat wirklich sehr stark mit meinen Kindheitserinnerungen zu tun und das kann ich nicht einfach ausblenden, wobei ich durchaus sehe, dass es durchaus auch einen spielerischen Umgang mit dem Thema geben kann.

Das Interview für die Libelle führte Franz Fuchs.

 

Filmtrailer:

In Graz ist der Film derzeit im Schubertkino zu sehen.

„Stoff der Heimat“ Dokumentarfilm, 94min.
Regie und Kamera: Othmar Schmiderer
Idee: Elsbeth Wallnöfer
Konzept: Othmar Schmiderer/Elsbeth Wallnöfer
Kinostart Österreich: April 2012
Website: www.stoffderheimat.at

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