Knuffige Zauberwesen aus der nordischen Mythologie sind sie nicht. Als schadenbringende Geisterwesen gefallen sie schon eher, auch ihre leichte Reizbarkeit ist ihnen mit dem Fabelwesen gemein. Anders als den Märchenwesen begegnet man Internettrollen jedoch häufig. Kaum jemand, der im Internet nicht schon über unsachliche Beiträge gestolpert ist, die dazu anregen, sofort kommentiert zu werden. Und damit tappt man schon in die gewünschte Falle des Trolls: „Don’t feed the Troll“ hat sich zur bestimmenden Verhaltensregel im Umgang mit Trollen entwickelt. Denn das Anliegen des Trolls ist nie sachbezogene Kommunikation. Trollen geht es um die Destruktivität, sie finden Gefallen an der Aufmerksamkeit, die sie durch ihre Beiträge erregen können.
Klar zu unterscheiden sind Trolle von Spam oder Shitstorms. Spam, größtenteils automatisch verfasst von Bots, pflegt das Anpreisen von zwielichtigen Konsumgütern. Hinter jedem Troll steckt jedoch ein Mensch (oft jedoch mit multiplen Accounts), dem es nicht um Konsum geht. Ein Troll benötigt auch keine plausiblen Argumente – er konstruiert sich diese selbst. Darin unterscheidet er sich vom Shitstorm, der sich an klaren Ereignissen entzündet und meist rationell nachvollziehbare, tausendfach multiplizierte Kritik im Kern aufweist. Dass die Kritik im Shitstorm häufig auch harsch und beleidigend artikuliert übers eigentliche Ziel hinausschießt, macht aus einem Shitstorm geplagtem Forum jedoch noch lange keine Trollwiese.
„Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist“ betitelte der New Yorker einen bekannten Cartoon – „Leider verhalten sich so viele User allerdings wie einer“ ergänzte der britische Guardian vor kurzem. Forentrolle können dabei nicht nur einfach lästige BesucherInnen sein, unkontrolliert können sie sich zu einer wahren Epidemie ausbreiten und die StammleserInnenschaft vergraulen. Daher verzichtet kein Betreiber und keine Bloggerin auf die Moderation der UserInnenkommentare. Auch rechtlich ist dies erforderlich, haftet doch der Betreiber/die Betreiberin mit, sollten anstößige Kommentare nicht offline genommen werden. Auf derStandard.at, eine der größten österreichischen Nachrichtenwebsites mit lebendiger Community, erscheinen unter Newsmeldungen oft mehrere tausend Kommentare innerhalb kurzer Zeit. Um Trollen hier Einhalt zu gebieten, setzt derStandard.at auf eine Kombination mehrerer Maßnahmen, weiß Christian Burger, Community-Manager von derStandard.at zu berichten. Herzstück der Trollabwehr ist der „Foromat“, eine Software die auf selbstlernende Filtermaßnahmen zurückgreift und automatisiert Beiträge herausfiltert. „Das sind dann jene Postings, bei denen RedakteurInnen gemäß der Community Richtlinien entscheiden, ob sie online gehen.“ so Burger. Trollpostings, die trotzdem durchrutschen, würden auch nachträglich gelöscht werden. Das Trollaufkommen schätzt er zwischen ein und zwei Prozent aller Postings ein. Eine besondere Anziehungskraft scheinen jedoch polarisierende Chronik-Themen wie „Hunde in der Stadt“ oder „(Nicht-)Rauchen“ auszuüben.
Darüber kann auch Anna-Sarah, Bloggerin bei maedchenmannschaft.net, berichten: „Das Trollaufkommen ist definitiv unterschiedlich hoch, je nach Thema, um das sich ein Post dreht. Am höchsten unter Trollbeschuss stehen Beiträge zu sexualisierter Gewalt.“ Bei maedchenmannschaft.net moderiert kein automatisches System, es obliegt der Verfasserin des entsprechenden Blogbeitrags, die Kommentare zu moderieren. Als Richtlinie gilt dabei die blogeigene Netiquette: „Wir haben auf dem Blog unübersehbare Kommentarrichtlinien veröffentlicht und bevor ein Kommentar abgeschickt wird, sollte er im Zweifelsfall darauf hin überprüft werden, ob er gegen die Netiquette verstößt. Andernfalls, so steht dort deutlich geschrieben, wird er nicht veröffentlicht.“ Die deutlichen Kommentarregeln richten sich gegen den häufig lautstark artikulierten Zensurvorwurf von Trollen. Beschimpfungen und Drohungen leiten die Bloggerinnen auf die Plattform hatr.org weiter wo diese sichtbar bleiben, die Blogdiskussion selbst jedoch nicht stören.
Destruktivität als Hobby
Was treibt einen Troll eigentlich an? Wissenschaftliche Untersuchungen der Indiana University zu Wikipedia und ihren UserInnen legen nahe, dass Trolle getrieben werden durch Langeweile, Beachtungsbedürfnis und Rachegelüsten. Die (vermeindliche) Anonymität des Internets verleitet, versteckt hinter Pseudonymen, besonders zu Verbalausfällen. Das Nachrichtenportal kleinezeitung.at zog vor kurzem die Reißleine um die unwirschen Postingfluten in geregeltere Bahnen zu lenken. Eine Registrierung im Forum ist jetzt nur mehr mit verpflichtender Angabe einer gültigen Handynummer möglich. Auch die vermehrte Integration von Facebook in Websites kann einen positiven Effekt erzielen. So meldete das Tech-Blog TechCrunch seit der Umstellung auf Facebook-Kommentare einen Rückgang der Trollpostings – zu groß scheint die Hemmnis, unter seinem Facebook-Realnamen zu trollen. Einen verpflichtenden Klarnamenzwang fordern allerdings nur die wenigsten Foren, rüttelt dies doch an den Grundfesten der Avatarkultur im Internet. Auch ist eine Facebook-Integration für viele keine Lösung, zu groß sind hier die datenschutzrechtlichen Bedenken.
Online-Special
Das vollständige Interview mit maedchenmannschaft.net
hatr.org
Wohin mit den Trollen, all dem Sexismus, Rassismus, der Homophobie, der sich in Online-Foren ansammelt? hatr.org entstand als Sammelstelle für all den Schund. Geboren wurde die Idee auf dem Gendercamp 2010 – als Antwort auf die Frage, ob Hass-Kommentare durch einfaches Löschen nicht zu unsichtbar gemacht werden. Durch das Verschieben von Trollpostings auf hatr.org bleiben die Blog-Diskussionen frei davon – können aber auf hatr.org öffentlich wahrgenommen werden.