Allgemein

„Wer den Groschen nicht ehrt…“

10 Jahre. Eine wirklich lange Zeit. Damals, am 1.1.2002, löste der Euro den Schilling als offizielles Zahlungsmittel in Österreich ab. Doch es gibt sie noch: Die hartnäckigen HüterInnen des Schillings, die dafür sorgen, dass unsere alte Währung auch ein Jahrzehnt nach ihrem Abgang immer noch im Umlauf ist. Stolze 8,8 Mrd. Schilling sind es nämlich, die laut Nationalbank immer noch bei den ÖsterreicherInnen unter Kopfpölstern oder in maroden Kisten gehortet werden.

Schauplatz: St. Johann in der Haide. Die 2000-Seelen-Gemeinde ist die Heimat von Gertrude Pußwald. Gemeinsam mit ihrem Mann Otto betreibt sie einen Greißlerladen im Ortskern. Ich reise aus Graz an; St. Johann liegt etwa einen Kilometer östlich von Hartberg entfernt, inmitten der unberührten Landschaft der Oststeiermark. Es überrascht mich nicht, dass mich mein Navigationsgerät ausgerechnet über Schillingsdorf ans Ziel bringt. Neben der Kirche finde ich gleich gegenüber vom Kaufhaus einen Parkplatz. Die grünen Rollläden passen gut zur gelben Fassade des sorgfältig gepflegten Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert. Pußwalds Kaufhaus ist aber keine gewöhnliche Greißlerei. Schon die Homepage verspricht: „Sie können bei uns auch noch mit Schilling bezahlen“. Etwas zaghaft betrete ich den Laden, ich bin wohl der erste Kunde nach der Mittagspause. Ein süßlicher Duft aus der „guten alten Zeit“ strömt mir entgegen. Hier scheint die Zeit auf eine charmante Art und Weise stehen geblieben zu sein. Nur noch selten findet man solche Läden und plötzlich schwelge ich in Kindheitserinnerungen. Damals gab es die obligatorische Wurstsemmel für 10 ÖS oder ein „Twinni“ für 12 ÖS. Das Sortiment ist überraschend groß, es gibt sogar eine eigene Wursttheke. Ich werde von Frau Pußwald begrüßt, sie wirkt ein wenig überrascht. Telefonisch konnte ich sie nicht erreichen, deshalb ist mein Erscheinen unangekündigt.

Als ich sie darauf aufmerksam mache, warum ich gekommen bin, zaubert ihr mein Interesse ein Lächeln ins Gesicht. Unter der Theke holt sie einen Kübel hervor. Hier werden sämtliche Schilling-Münzen gehortet und die gezählten Bestände sorgfältig in einem Buch vermerkt. Die Buchhaltung wird also in beiden Währungen geführt. Stolz erzählt sie mir, wie oft die Presse schon hier war. Einmal ist sogar eine Frau mit tausend alten „Bertha von Suttner“-Tausendern dagestanden. Frau Pußwald zeigt mir ein Foto dieser seltenen Begegnung. Zurücknehmen konnte sie die Scheine aber nicht. „Wir haben strenge Vorgaben von der Nationalbank, welche Scheine noch einlösbar sind“, erklärt sie mir. Die letzte Schillinggeneration kann man zeitlich unbegrenzt umtauschen, die davor ist nur mehr bis 2018 gültig. Alle Scheine die vor 1983 ausgegeben wurden, darunter auch der „Suttner-Tausender“, haben hingegen ihren Wert schon verloren. „Diese Scheine hat die Frau dann am Flohmarkt für ein paar Hundert Euro verkauft und sie hat dann sogar einen Auftritt in der Barbara Karlich Show gehabt“, berichtet die Unternehmerin mit einem Schmunzeln im Gesicht. Überhaupt ist das Medieninteresse sehr groß, das ist gut für das Geschäft: „Die Sigrid Maurer vom ORF Steiermark hat auch schon mal einen Film hier gedreht.“ Das hat dem Geschäft am meisten zu höherem Bekanntheitsgrad verholfen. Neben den Großkonzernen ist es aber nicht leicht, zu überleben. Das Greißler-Sterben ist allgegenwärtig. „Aber zusperren tu ich bestimmt nicht, sonst wird mir eh nur fad“, ergänzt die alte Dame und beginnt wieder herzhaft zu lachen. Unterstützung erfährt sie neben ihrem Gatten durch ihre Tochter, die ebenfalls im Laden arbeitet. Eine zusätzliche Aushilfe geht sich aber finanziell nicht aus. Eine Bereicherung für den Ort ist das Geschäft aber allemal.

Angesprochen auf den Euro entgegnet Frau Pußwald, dass es für sie nicht die erste Währungsumstellung war. Sie hat gelernt mit Geld umzugehen, ob das jetzt in Euro oder Schilling sei, ist für sie nicht von Bedeutung. Die Jungen aber, die haben so ihre Probleme mit dem Geld und geben es zu leichtfertig aus. Das Geld ist für sie nicht mehr viel wert. Aber es heißt doch: „Wer den Groschen nicht ehrt, ist den Schilling nicht wert“. Die heutige Generation hat aber das Sparen verlernt, denn hat sie einmal ein Geld verdient, gibt sie es auch schon wieder aus. An der Kassa bitte ich die beiden Geschäftsleute noch um ein Erinnerungsfoto. Stolz posieren sie mit ihrer Schilling-Ausbeute. Am Ende des Jahres fährt man dann nach Graz, zur Nationalbank oder zum „Euro-Bus“. Dort kennen sie Herrn Pußwald schon. Vor einigen Jahren hat man dann aber doch die Preise im Geschäft in Euro angeschrieben. Herausgegeben wird auch ausschließlich in der „neuen“ Währung. Frau Pußwald zeigt mir ihren Euro-Umrechner. Hier wird an der Kassa der Wert in Euro bestimmt und dann abgerechnet. Bleibt was übrig, wird dem Kunden eine Gutschrift, in Euro versteht sich, ausgestellt.

Vor den Haus mache ich noch ein letztes Foto mit den beiden. Es ist wirklich ruhig hier, der Fremdenverkehr hat dem Ort wahrlich den Rücken gekehrt. Frau Pußwald zeigt mir noch den Innenhof. Dort war einmal eine Mostschenke, die im Sommer gut besucht war. Unter einer gemütlichen Laube stehen Bänke und Tische. Herr Pußwald erklärt mir, dass immer viel los war, wenn Gäste da waren. Aber diese Zeiten sind längst vorbei. „Das Urlaubsverhalten hat sich verändert“, meint dazu Frau Pußwald. Die Leute fahren jetzt lieber in die umliegenden Thermen. Auch das letzte Hotel im Ort hat schon längst seine Türen für immer geschlossen. Ein Gasthaus gibt es noch, aber auch dort herrscht Bettenmangel.

Es ist spät geworden. Pünktlich um 18 Uhr wird der Laden zugesperrt und auch ich mache mich wieder auf den Weg nach Graz. Natürlich über Schillingsdorf.

Back To Top