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Die Qual der Wahl

Doch ich wollte kein Wahlprogramm hören, ich wollte von den derzeit im Gemeinderat vertretenen Parteien wissen, wer hinter den Menschen steht, die an vorderster Front über politischen Sieg oder Niederlage mitentscheiden. Ich begebe mich dafür in die Innenstadt. Es ist ein nebeliger Tag, genau ein Monat vor der Wahl. Am Eisernen Tor entdecke ich gleich einen kleinen Stand der Grünen. Sie sind an diesem Vormittag noch die Einzigen in diesem Bereich des Stadtzentrums.

Die Grünen

Dort treffe ich Magdalena, von ihren Freunden Leni genannt. Sie ist 23 Jahre alt und studiert auf Lehramt Spanisch und Deutsch. Sie erzählt mir, dass sie als Aktivistin bei den Jungen Grünen anfing und seit diesem Semester auch Mitglied bei der „GRAS“, den Grünen und alternativen StudentInnen, ist. Am Stand der Grünen arbeitet sie zum ersten Mal. Politisch interessiert war die Studentin schon immer. „In der Schule hatten wir keine politische Bildung. Deshalb wollte ich mich durch eine aktive Teilnahme an der Politik auch in diese Richtung weiterbilden.“ In ihrer Arbeit sind Magdalena und ihre KollegInnen flexibel und sie können es sich einteilen, wie lange sie für ihre Partei auf der Straße werben möchten.

Eine Frau kommt zum Stand und fragt nach Wahlkampfgeschenken. Über das Programm der Grünen will sie nichts wissen, sie will einfach nur einen Kugelschreiber. „Solche Leute kommen eigentlich nur selten“, meint Leni und ergänzt, dass die Stimmung generell eine Gute sei. Viele wollen sich einfach nur informieren, um die Programme der Parteien kennen zu lernen. Dafür sei man zu zweit am Stand, um einerseits die Leute zu informieren und andererseits auch Flyer zu verteilen. Negative Erlebnisse sind selten: Erst heute sei jedoch ein Kollege von ihr von einem Grün-Gegner beschimpft worden. Grünes Wahlkampfzuckerl ist unter anderem ein biologisch abbaubarer Kugelschreiber.

Die Grazer Volkspartei

Ich gehe weiter in Richtung Herrengasse und wundere mich über die rare Präsenz der Parteien in der Grazer Haupteinkaufsstraße. Die Uni erscheint mir als geeigneter Ort, um weitere WahlwerberInnen zu suchen. Am Sonnenfelsplatz, direkt vor der Uni-Mensa, werde ich fündig. Am Stand der Österreichischen Volkspartei, kurz ÖVP, treffe ich Peter Hahn, Funktionär der Grazer Volkspartei. Seine Partei ist in der ganzen Stadt an verschiedenen Orten vertreten, heute eben im Univiertel. Die Volkspartei habe in Graz den Vorteil, schon seit bald 10 Jahren den Bürgermeister zu stellen und verfüge deshalb auch über einen hohen Bekanntheitsgrad. „Wir gehen davon aus, dass wir auch die nächsten Jahre den Bürgermeister stellen werden“ meint Peter. Die Stimmung am Stand beurteilt er durchwegs positiv. Sie hängt seiner Meinung nach stark vom jeweiligen Standort ab: „Von ausländerfeindlichen Kommentaren bis zu vollen Unterstützung seiner Partei“ sei schon alles dabei gewesen. „Es ist bei so einer Tätigkeit aber wichtig, für alle Meinungen offen zu sein und man muss versuchen, die Leute in der Diskussion zu überzeugen.“ „Das gelingt natürlich nicht immer“, ergänzt Peter und glaubt, dass „für die Volkspartei durchaus ein Sieg drinnen ist“. Die ÖVP verteilt klassische Wahlkampfzuckerl wie Kugelschreiber und Zuckerl.

Am Nachmittag begebe ich mich noch einmal in die Innenstadt. Es ist immer noch neblig und ich habe die Qual der Wahl: Inzwischen sind sowohl die Grazer SPÖ als auch die Kommunistische Partei mit einen Stand vertreten. Ich steuere die SPÖ an, die, wie bereits die Grünen vormittags, am Eisernen Tor ihre Zelte aufgeschlagen hat. Die Grünen haben ihren Platz jedoch bereits verlassen und scheinen weitergezogen zu sein.

Die Grazer Sozialdemokraten

Ich unterhalte mich mit Manuel Oberreiter, der für die Sozialdemokraten für den Grazer Gemeinderat kandidiert. Manuel studiert Volkswirtschaftslehre und ist in den sozialdemokratischen Jugendorganisationen tätig. „Für unseren Stand haben wir uns ein ganz neues Konzept ausgedacht“ erklärt mir der Student. „Wir verteilen keine Flyer oder Feuerzeuge, wir versuchen die Leute aktiv zum Stand zu bringen. Wir betreiben eine Art Wahlkampfshop und verkaufen unsere Wahlkampfzuckerl.“ Dieses Konzept wird, so Manuel, sehr gut angenommen, da „das Geld an Menschen geht, die es wirklich brauchen“. Einmal mehr habe ich den Eindruck, dass auch hier ein ruhiges Klima herrscht. Manuel bestätigt meine Annahme, auch am Stand der SPÖ ist es noch zu keinen Beschimpfungen und dergleichen gekommen. Was aber auffällt, ist, dass es viele Menschen gibt, die sich über die Bundespolitik beschweren. Dies liegt wohl daran, dass die SPÖ derzeit im Bund den Kanzler stellt. Für solche Diskussionen zeigen sich auch die Sozialdemokraten offen. Die SPÖ betreibt einen Wahlkampfshop und spendet diese Einnahmen für karitative Zwecke. Das „Zuckerl“ daran ist, dass interessierte Menschen mitentscheiden können, an welche karitative Einrichtung dieses Geld gespendet werden soll.

Die Kommunistische Partei

Am Jakominiplatz treffe ich Jürgen Rossoll, einen freiwilligen Unterstützer der KPÖ. Herr Rossoll ist ehemaliger Pächter des Stubenberghauses am Schöckl und engagiert sich seit einigen Jahren für die Kommunisten. „Wir sind meistens drei bis vier Stunden immer an anderen Orten vertreten. Gestern waren wir beispielsweise in der Schönausiedlung und in Wetzelsdorf unterwegs“, erklärt mir der Pensionist. Die KPÖ hat in diesem Wahlkampf auf Zuckerl verzichtet. Mit dem Geld werden Bänke für „Liebespaare, Jung und Alt sowie Studenten“ gekauft, die dann in Graz aufgestellt werden.

Die Freiheitliche Partei

Auch die FPÖ ist mit einem Stand am Jakominiplatz vertreten. Ich spreche mit Jürgen Angerer, Obmann des Rings freiheitlicher Jugend in Graz. Jürgen ist Geschichte-Student und schon seit 2005 politisch für die FPÖ in Leoben aktiv: „Die Ideen der Partei haben mich überzeugt und so bin ich dann auch Parteimitglied geworden“. Auch für die FPÖ erscheint die Grundstimmung an den Ständen, die wie auch die anderen Parteien immer ihren Standort wechseln, durchaus positiv. „Natürlich kommen, wenn auch äußerst selten, Anfeindungen wie ‚Ich bin kein Nazi‘ oder ‚Von euch nehme ich sicher nichts‘ vor“, so Angerer und ergänzt, dass er und seine Kollegen sich am Stand von solchen Sprüchen nicht beirren lassen, da es auf der Straße nichts bringe, sich auf solche Kommentare einzulassen. Auf Diskussionen lassen sich die wenigsten Personen ein. Jene, die diskutieren wollen, sind dann aber gegen alle Parteien im Allgemeinen. „Hier schlägt die derzeit herrschende Politikverdrossenheit durch“, meint Jürgen. Die FPÖ verteilt klassische Wahlkampfzuckerl wie Kugelschreiber oder Chips fürs Einkaufswagerl. Eine Besonderheit ist ein Kochbuch ihres Spitzenkandidates.

Das BZÖ

Das BZÖ hat seinen Wahlkampfstand an diesem Nachmittag bereits abgebaut. Telefonisch erreiche ich aber Heimo Valentintschitsch, Geschäftsführer des BZÖ-Steiermark. Auch er ist regelmäßig auf der Straße unterwegs und an den Ständen des BZÖ vertreten. Valentintschitsch beurteilt die Stimmung durchwegs positiv spricht sich aber generell gegen den „Plakatierungswahn“ und die Verwendung von „sinnfreien Sprüchen“ im Wahlkampf aus, weswegen sich das BZÖ auch einen freiwilligen Plakatverzicht auferlegt hat. Diese Kosten könne man sich zugunsten der SteuerzahlerInnen und angesichts des „Schuldendebakels der Stadt Graz“ ersparen.

Am Ende des Tages habe ich also die Stimmung aller im Gemeinderat vertretenen Parteien eingefangen. Das Engagement junger Leute stimmt, unabhängig von ihrer politischen Couleur, positiv und kann nur als Aufruf an die vor allem jüngeren Generationen gelten, von ihrem demokratischen Stimmrecht Gebrauch zu machen. Ich habe mir meine Meinung bereits gebildet.

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