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„Hochschulen in der NS-Zeit.“ Heute (k)ein Thema?

War die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus an den heimischen Hochschulen lange ein Forschungsdesiderat, sind in den letzten Jahren vielen einschlägige Publikationen zum Thema selbstreflektiv aus der Mitte der Institutionen entstanden. War es da notwendig, ein neues, österreichweites Projekt aus ÖHMitteln zu initiieren? „Ja“, sagt Martin Schott, ÖH-Bundesvorsitzender, denn bisher sei „vornehmlich auf die eigene Hochschule fokussiert worden“. Das Projekt „Hochschulen in der NS-Zeit“ ziele hingegen darauf ab, erstmals einen Überblick über die gesamtösterreichische Situation zu geben, um eine Vergleichsbasis bereitzustellen. Außergewöhnlich an der Initiative ist neben der Dichte an involvierten Institutionen, dass nicht nur NachwuchswissenschaftlerInnen mit der Forschung betraut sind, sondern vor allem Studierende aller 11 teilnehmenden Universitäten gemeinsam das Thema in Forschungsseminaren erarbeiten werden. In Graz wurde dazu von Heidrun Zettelbauer und Dieter Binder (beide Institut für Geschichte) ein umfangreiches Workshop-Programm geplant, das die Studierenden durch zahlreiche ExpertInnenvorträge professionell an die Thematik heranführt.

Als gäbe es kein Vorher, als gäbe es kein Nachher.

Die Zeit des Nationalsozialismus bildet oft einen eigenen Block in der Mitte von Schulbüchern, sandwichartig eingeklemmt zwischen der ersten und der zweiten Österreichischen Republik, mit klarem Anfang und eindeutig datiertem Ende. Ein kompaktes Kapitel, mit feinsäuberlichen Seitenumbrüchen, dessen ProtagonistInnen dennoch nicht aus dem Nichts kamen, in einem Vorkriegs-Österreich sozialisiert wurden und die Bühne oft genug auch nach 1945 nicht verließen. Fragen nach jenen personellen wie strukturellen Kontinuitäten, Umbrüchen und Auswirkungen stehen im Zentrum eines ersten großen Themenschwerpunkts des Projekts. Darüber hinaus sollen auch die Rolle von Studierendenvertretungen sowie die gesellschaftliche Funktion von Hochschulen in der NS-Zeit untersucht werden. Am Ende werden die TeilnehmerInnen ihre Ergebnisse in einem Vernetzungstreffen in Wien austauschen. Ein Ziel des Projekts ist es, die Beiträge in einer durch die ÖH finanzierten Publikation im nächsten Sommersemester einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nicht von der Projektleitung vorgesehen, aber dennoch im Rahmen des Seminars in Graz aufgekommen ist die Frage, in welcher Form eine adäquate Sichtbarmachung nationalsozialistischer Vergangenheit im öffentlichen, wie auch virtuellen Raum der Universität Graz stattfinden könnte. Was bedeutet es etwa für die Gedächtnispolitik der Institution wenn in der Zeitleiste zur „Geschichte der Universität Graz“, zu finden auf der Webpage des Uni Archivs, Neubauten wie dem Zentrum für Molekularbiologie oder dem Anglistik-Gebäude mehr Raum gewidmet wird, als der nationalsozialistischen Periode der Hochschule.

Es folgt das wörtliches Zitat der betreffenden Passage auf der Uni-Homepage (Stand: 13. 1.): „1929/30 Infolge der ökonomischen Verhältnisse beginnt ein Personalabbau. // 1938 Entlassungen (darunter die drei Nobelpreisträger Loewi, Hess, Schrödinger). // 1939 De-facto-Aufhebung der Katholisch-Theologischen Fakultät. // 1945 Wiederherstellung der Struktur von vor 1938 //

Ohne die Wörter „Faschismus“ oder „Nationalsozialismus“ auch nur zu streifen gelingt es, den Zeitabschnitt in die über 400-jährige Geschichte der Universität zu integrieren. Durch historisches Wissen unbefleckte Personen könnten logisch folgern, dass Loewi, Hess und Schrödinger ausschließlich auf Grund des bereits 1929/30 begonnen Personalabbaus die Uni verlassen mussten, aus wirtschaftlichen Gründen wäre es möglich gewesen, dass die Universität weder ihre drei Nobelpreisträger halten noch die theologische Fakultät weiter finanzieren konnte. Dass hinter den personellen wie strukturellen Veränderungen keine ökonomischen Ausnahmesituationen, sondern ausschließlich rassistisch und ideologisch motivierte Handlungen standen, lässt die Zeitleiste nicht im entferntesten erahnen.

Diese Problematik der Homepage wurde aufgrund der Diskussionen im Forschungs-Projekt „Hochschulen in der NS-Zeit“ im Senat der Universität von der Autorin des Artikels zur Sprache gebracht, mit Erfolg, denn Vizerektor Polaschek hat zugesagt, sich dieser Angelegenheit anzunehmen.

 

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