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Lebensfreude in Person

Das St. Christophorus Seniorenheim in der Grazer Riesstraße: Hier wohnt Frau Dr. Irene Plaß. „Schon vor über zehn Jahren bin ich hier eingezogen. Angereist bin ich sogar noch mit dem Auto“, berichtet die rüstige Dame stolz. Die Mobilität hat ihr Leben bestimmt. Ihr Studium hat sie neben Graz, auch nach Paris, Wien und Innsbruck geführt. „Es war schon eine wilde Zeit damals“, erklärt die ehemalige Kinderärztin. Ihrem Vater hat sie es zu verdanken, dass sie vor fast 70 Jahren zu studieren beginnen konnte.

In Zeiten des Krieges war der Besuch einer Universität keine Selbstverständlichkeit. Schon 1940 absolvierte die heute 90-Jährige den so genannten Arbeitsdienst. „Das war eine Notwendigkeit, sonst hätte ich damals nicht studieren dürfen.“ Natürlich war dieser von seiner damaligen Idee her überschattet. „Für mich war er dennoch sehr gesund, weil ich so zu einer Frau wurde.“ Als Arbeiterin auf einem Bauernhof erlebte sie über sechs Monate hinweg eine Landwirtschaft, die es in dieser Form heute nicht mehr gibt. „Ohne Traktor, mit einem Pferd wurden die Felder bestellt und wir mussten Erdäpfel klauben bis an unsere körperlichen Grenzen“. Nach der damaligen deutschen Studienordnung musste Frau Plaß vor dem Studium auch noch einen Krankenpflegedienst absolvieren. Diese und andere Hürden ließen in der Ärztin auch die Überzeugung reifen, dass es heutzutage noch viel wichtiger ist, Begabte zu fördern. Zu Kriegszeiten musste auch sie rund 300 Reichsmark an Studiengebühren entrichten. Das Geld hat man aber damals „nicht angeschaut“, weil es schlicht nichts mehr wert war. „Einmal habe ich dann mein Geldtascherl mit den gesamten Gebühren in der Telefonzelle liegen gelassen. Eine Katastrophe.“

Schon früh wusste Frau Plaß, dass sie eine Laufbahn als Medizinerin einschlagen wolle. Dem Wunsch ihres Vaters, Juristin zu werden, ist sie nicht gefolgt. Die Jahre 1941 bis 1943 verbrachte sie in Wien, da die Grazer Uni schließen musste. In Innsbruck verbrachte sie ein Semester. „Wir haben versucht, sehr mobil zu sein, weil sonst durften wir ja nichts, weder Tanzen noch Ausgehen“. „Ich habe in meiner Studienzeit zum Beispiel versucht, Tennis zu spielen. Es war sehr mühsam, weil es keine Bälle mehr gegeben hat. Also haben wir einfach mit Zwetschgen gespielt.“ Mit dem Racket unter dem Arm ging sie einmal sogar in eine Vorlesung. „Im selben Hörsaal saßen dann auf einmal die hohen Herren der SS-ärztlichen Akademie. Ich sah mich schon im Geiste dienstverpflichtet irgendwo in Polen.“ Kriegsbedingt mit einem Semester Verlust, konnte die Pensionistin ihr Medizinstudium 1946 wieder nach österreichischem Recht abschließen. „Die Lehrbücher habe ich aber alle schon verschrottet. Die sind heute nicht mehr brauchbar. Ich muss zugeben, heute dürfte ich zu keiner Prüfung mehr antreten, ich würde durchfliegen.“ Die Medizin hat sich eben rasant weiterentwickelt.

Es ist eine besondere Herzlichkeit, die Frau Plaß ausstrahlt, ihre Lebensfreude scheint ungebrochen und es ist schlichtweg spannend, ihr zuzuhören. Die Gründung des Heilpädagogischen Zentrums Steiermark vor 60 Jahren zeugt von ihrem besonderen Engagement ganz im Dienste der Jugendwohlfahrt. Im September des Vorjahres wurde Frau Dr. Plaß dafür mit dem Goldenen Ehrenzeichen des Landes Steiermark ausgezeichnet.

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