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Zeit-Stimmen-Wächter

Lebensläufe und Dorfgeschichten sind zwei von vier Konzepten, die das Oral- History-Archiv an der Karl-Franzens- Universität Graz beherbergt. Die Sammlung am Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte wurde 1984 initiiert und stellt im 2. Stock des RESOWI-Gebäudes rund 2.550 ZeitzeugInnen-Interviews, fein säuberlich transkribiert und in überschaubaren Regalwänden abgelegt, für die wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung.

Oral-History ist eine geschichtswissenschaftliche Methode, die auf dem Sprechenlassen von ZeitzeugInnen basiert; Oral-History ist mündlich erzählte Geschichte. An der Uni Graz werden dazu Themen aus dem Arbeitsund Alltagsleben unterschiedlicher Personengruppen aufgezeichnet, wie etwa Technikerinnen und Techniker, Arbeiterinnen und Arbeiter, prominente Personen und Personen aus der Politik. „Unser ältester Zeitzeuge, den wir verzeichnet haben, wurde 1888 geboren und 1988 interviewt“,erzählt Michael Egger. Egger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Archiv und schreibt gerade an seiner Dissertation in Geschichte. „Unter den Befragten finden sich aber auch Mütter und Hausfrauen, die über ihr Leben in den 1940er Jahren und später berichten“, führt er aus. Die Vergangenheit für aktuelle Forschungsarbeit zur Verfügung zu stellen, ist das Kerngschäft von Egger. „Wir bekommen laufend Anfragen von Studierenden, die verwertbare Interviews für ihre Diplom- oder Masterarbeiten benötigen“, erklärt der Historiker, der seit 2009 diese Tätigkeit ausübt. Bevor das Tonmaterial in das Archiv wandert, wird es umfassend bearbeitet: „Es wird transkribiert und beschlagwortet. Bevor wir es für die Wissenschaft freigeben, werden die Personennamen anonymisiert.“ Ausgehoben wird das Material auch für Interessierte, die es für ihre Forschungen benötigen. „Wir haben in unserer Sammlung einen klaren Steiermark-Kärnten-Schwerpunkt. Allein 600 Interviews stammen aus dem Raum Graz“, weiß Egger. Viele der aufgezeichneten Gespräche erzählen und skizzieren den Alltag der letzten Jahrzehnte in der Stadt und am Land – fernab öffentlicher Mitteilungen und Zeitungsartikeln. „Wir speichern sozusagen auch Teile von Familiengeschichten in unserem Archiv. Unter den zahlreichen Transkripten liegen auch wahre Schätze verborgen.“

Das konnte Egger sogar persönlich erfahren:„Ich hatte vor ein zwei oder drei Jahren einmal eine Anfrage vom Schauspielhaus Graz, die für ein Stück die Kulisse eines Krämerladens aus den 1920er Jahren bauen wollten und Material benötigten. Bei der Recherche im Archiv bin ich zufällig auf ein Interview mit meinem Großvater gestoßen, der zuletzt Kaufmann in Bruck war“, schmunzelt er. „Mein Großvater war damals schon verstorben. Er hat uns nie von diesem Gespräch erzählt und plötzlich habe ich seine Stimme gehört.“ http://wirtschaftsgeschichte.uni-graz.at

In Kooperation mit der Pressestelle der Uni Graz: http://on.uni-graz.at

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