Die Uni wurde zum Ballroom. Der Multikulti Ball fand am 23. Jänner in den Räumen der Hauptuniversität statt. Über die Leute und ihre Kleider und übers Tanzen.
Autorin: Katharina Brunner
Fotografin: Anna Lisa Chang
Bunte Beleuchtung, Ballgäste, schon im Foyer duften die kulinarischen Köstlichkeiten aus fernen Ländern. Frisch zubereitete Crêpes bieten das französische Entré. Die Uni ist heute schick und eindeutig weniger studentisch. Wo gerade jetzt im Jänner die Bibliothek gefüllt ist mit lernenden Köpfen, die der Verzweiflung nahe sind, dinieren heute genau da die „Multikulti- Special- Gäste“.
In der Aula wird begrüßt, Reden über die Relevanz von Akzeptanz und Wertschätzung unterschiedlicher Kulturen werden geschwungen. Der Ehrengast Muhamad Ali Diri spricht ebenfalls. Er flüchtete aus Syrien, weil er dort verfolgt wurde. Doch heute will er nicht darüber sprechen, wie schwer es war, überhaupt nach Graz zu kommen. Lieber spricht er darüber, wie wichtig es ist, dass der Frieden in sein Land kommt, dass wir alle zusammenhelfen sollen, damit eine Flucht, wie er sie hinter sich hat, nicht mehr nötig ist.
Aber jetzt wird erstmal getanzt. Die Aula wird zur Tanzfläche. Heute will man nicht schwermütig sein, heute soll die Diversität der Länder unserer Welt gefeiert werden.
Wir sind „Weltbürger“
Raus aus der Aula. Jetzt will ich sehen, was der Ball an Vielfalt zu bieten hat. Nach einem Rundgang, der den Altersschnitt hebt, starte ich in die ÖH Disco. Die gibt’s dieses Jahr zum ersten Mal. Hier sehe ich ein Outfit, das mich umhaut. Die junge umwerfende Dame trägt ihr Kostüm aus Tartastan, der autonomen Republik im östlichen Teil des europäischen Russlands. Sie ist schön, bunt und trägt das Kleid mit Freude. In Tartastan wird es zum Tanzen und zu Festen getragen.
21:30- die Disko bietet NOCH keine Feierlaune, also schau ich weiter. Anzug, rotes Ballkleid, schwarzes Ballkleid, schwarzes Ballkleid, cremefarbiges Ballkleid, ohlala ein Anzug mit Fliege- die bunten Kostüme muss man suchen und bei vielen merkt man: es ist eher ein Abend der Verkleidung als der Authentizität. Drei Damen im mittleren Alter, alle im indischen Kostüm, sogar mit Bindi, dem Punkt auf der Stirn. In Indien tragen ihn verheiratete Frauen, er wird aber immer mehr zur Modeerscheinung. Sie reisten nach Indien, fahren immer wieder hin, die bunte Kultur hat ihnen gefallen und das wollen sie heute zeigen.
Es ist ein Sehen und Gesehen werden. Und ein Zeigen. Die Leute wollen zeigen, dass sie hier sind, Weltbürger sind und, dass Multikulti schick ist.
Borderless am Ball
Abseits des Ballgeflüsters gibt es „Multikulti“ jeden Tag: zufällig treffe ich fünf Mitglieder von Borderless, eine der ersten Organisationen die am Grazer Hauptbahnhof Flüchtlingen bei ihrer Ankunft und auch auf ihren weiteren Weg zur Seite stand. Sie alle fünf sind freiwillige Helferinnen. Am Hauptbahnhof sind sie zwar nicht mehr stationiert, aber in Wohnheimen helfen sie noch immer fast jeden Tag. Senida trägt ein langes Kleid und ein Kopftuch mit gehäkelter Blume, die an Srebrenica erinnern soll. „Meine zweite Idee war es, ein Dirndl mit Kopftuch zu tragen.“, meint sie. Medina hingegen hat ihre bosnische Tracht für heute Abend ausgepackt. „Als ich rein gekommen bin hab ich viele so elegant mit Ballkleid und Stöckelschuhen gesehen, da bin ich mir mit meiner Tracht ein bisschen blöd vorgekommen.“ Die Tracht ist eher konservativ und wird in Bosnien auch nur mehr selten getragen, wenn dann zum Tanzen.
Patricia führt heute ihr modernes schwarz-rotes Dirndl aus, ihren Unterarm schmückt eine kunstvolle Hennabemalung. „Mein Freund kommt aus der Türkei. Die Zeichen auf meiner Hand haben mit der türkischen Kultur zu tun. Ich hab eine starke Verbindung zu ihr, darum hab ich heute die Bemalungen auf dem Arm. “ Manche tragen ihre Kleidung also auch mit Köpfchen, wollen ein Statement setzen.
Tanzende Vielfalt
Die Disko gibt mittlerweile schon was her, es ist voll und es wird getanzt. Rechts von mir das etwas schräg tanzende Pärchen, das schon da war, als die Disco noch leer war. Links von mir zwei vermutlich aus Afrika stammende junge Leute mit Rhythmus im Blut. Die Locken fliegen, die Männerschuhe fegen gekonnt über den Parkett und ihre Gesichter tanzen mit. Zwei Menschen- ein Tanz. Und ja, ein schmusendes Pärchen in Lederhose und Dirndl ist natürlich auch vertreten. Gehört dazu, soll so sein. Bei all dem Zeigen, dem Gesehen-Wollen-Werden, find ich hier, was ich suche: die tanzende Vielfalt, die nicht durch Äußerlichkeiten, wie einem Outfit, ausgedrückt werden muss, sondern für sich selbst steht.
Die Mitternachtseinlage zeigt dann nochmal, was der Ball alles kann: Zuerst heizt die Band „New Look Musica“ mit Rhythmen aus aller Welt ein, die Sängerin zeigt, wie tanzen geht. Die Aula ist voll und da beginnt es: Von allen Seiten hören wir schöne Singstimmen vom Grazer Chor „Nota Bene“. Frauen in bodenlangen weißen Kleidern schreiten durchs Publikum. Die Aula wird zur Bühne. Was bleibt, ist die Faszination für andere Kulturen und davon lebt der Multikulti Ball wohl.