Max ist wütend. Er ist wütend auf Journalist_innen und die „Lügenpresse“. Er öffnet seinen Laptop und beginnt, die Chefredakteurin einer bekannten Tageszeitung wüst zu beschimpfen. Max ist nicht real, doch viele andere sind es. Sie bringen ihren Frust und ihren Hass gegenüber dem „Mainstream“ im Netz zum Ausdruck.
Autor: Daniel Retschitzegger
In den letzten Jahren ist das Vertrauen in die klassischen Medien stark gesunken. Uwe Krüger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Journalistik der Universität Leipzig, spricht diesen Vertrauensverlust in seinem Buch „Mainstream – Warum wir den Medien nicht mehr trauen“ an. Interessant daran ist, dass er die Beziehung zwischen Medien und Publikum mit einem Ehepaar vergleicht. Ein einfacher Auslöser (beispielsweise ein hochgeklappter Toilettensitz) reicht aus, um einen unter Oberfläche brodelnden Konflikt, ausbrechen zu lassen. So beispielsweise geschehen mit der Berichterstattung rund um die Ukrainekrise.
Während der Maidan-Bewegung und folgenden Annexion der Krim fielen deutsche Medien durch ein sehr enges Meinungsbild und auch durch einige Fehler in ihren Beiträgen auf. Die Folge waren unzählige Leser_innen, die erzürnt auf die zu einseitige Berichterstattung reagierten. Die Vorwürfe lauteten, dass der „Mainstream“ wesentliche Informationen unterschlagen hätte. Laut Krüger stimmt das auch zu gewissen Teilen. So zeigten westliche Medien beispielsweise wenig Interesse an den grausamen Ereignissen in der Hafenstadt Odessa. Dort kamen im Mai 2014 mindestens 46 prorussische Aktivist_innen in und bei einem brennenden Gewerkschaftshaus ums Leben. Verantwortlich waren Maidan-Anhänger, so der Autor.
Zwar fanden durchaus auch „kritische Perspektiven und abweichende Meinungen“ in der Berichterstattung Platz, auf den weiteren Verlauf hatten diese allerdings wenig Einfluss. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Journalist_innen selbst nur Menschen sind, denen auch Fehler passieren.
Als Personen des öffentlichen Lebens sind diese auch auf die Meinung ihrer Konsument_innen angewiesen. Gegen den Strom zu schwimmen und unpopuläre Standpunkte zu vertreten, kann einen schnell isolieren.
Was tun? Eine rasche Lösung lässt sich in nächster Zeit sicher nicht finden. Allerdings haben Journalist_innen auch nicht die Verantwortung, die Stimmung eines Landes zu beeinflussen. Das wäre eine fatale Fehlinterpretation der eigenen Aufgaben, die öfters begangen wird. Vielleicht liegt gerade hier das Problem. Berichterstatter_innen sollten sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren und den Diskurs mit allen Meinungsarten suchen – nicht nur auf die Anerkennung innerhalb der eigenen Filterblase pochen. Denn wie Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter, in einem Leitartikel kürzlich treffend schrieb: „Wir gehen so weit, dass wir Andersdenkende gar nicht mehr hören wollen, weil sie uns verstören könnten.“
Als Student, der das tatsächliche Arbeitsleben nur am Rande erlebt hat und größtenteils auf Kosten der Eltern lebt, schreibt sich das natürlich besonders leicht. Wir leben alle in unserer eigenen, bequemen Wirklichkeit. Und ganz ehrlich, wer hört schon gerne fremde Meinungen, wenn sich die eigene so schön einfach bestätigen lässt?