Photocredit: Andi Weiland | wheelmap.org (CC BY)
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Studieren mit Handicap

Christina ist 21 Jahre alt und Lehramt-Studentin in Graz. Sie wohnt mit einer Freundin in einer WG und fährt gerne auf Urlaub – am liebsten ans Meer. Durch Samstagsjob und Nachhilfeschüler_innen verdient sie sich Geld dazu, das sie in ihren Stammbars wieder ausgibt. Christina lebt ein Studentenleben, wie es im Buche steht. Mit einem Unterschied: Sie sitzt im Rollstuhl.

Autorin: Anna Katharina Holzhacker

Seit einer Rückenmarksentzündung als Kleinkind sind ihre motorischen Fähigkeiten von der Hüfte abwärts eingeschränkt, außerdem gehen mit der Erkrankung Symptome wie ein vermindertes Schmerzempfinden in den Beinen einher. Den Großteil ihres Alltags meistert Christina mit ihrem Rollstuhl. Kurze Strecken kann sie mit Krücken zurücklegen. Eine große Einschränkung ist das für sie nicht, wie sie selbst sagt: „Und wenn ich auf den Rolli draufsteigen muss, um ins oberste Regal zu kommen. Ich habe schon meine kleinen Tricks. Irgendwie komm ich immer hin!“.  

Treppenlifte mit Eigenleben

An der Universität hilft der Einfallsreichtum leider nicht immer. Baustellen, wie im Moment vor der Resowi-Bibilothek, sind für körperlich beeinträchtigte Personen ein immenses Hindernis, denn die Bibliothek ist für Christina einfach nicht erreichbar. Rollstuhlgerechte Aufgänge gibt es nicht in jedem Gebäude und die Treppenlifte scheinen ein Eigenleben entwickelt zu haben: „Immer wenn man sie ganz dringend braucht, dann funktionieren sie nicht. Ich kann keine zwei Stöcke hinaufgehen oder verlangen, dass mich jemand hinaufträgt. Also muss ich Vorlesungen manchmal sausen lassen“, so Christina. „Ganz toll ist es natürlich, wenn man dafür extra früh aufgestanden ist“. In der Vorklinik und im Chemie-Institut, wo die Biologiestudentin viele Lehrveranstaltungen hat, sind die Gebäude aber gut ausgebaut, von den nicht funktionsfähigen Treppenliften abgesehen, funktioniert alles einwandfrei.

Christina (Bildmitte) im Rollstuhl unterwegs mit Freundinnen
Die Student_innen selbst reagieren unterschiedlich auf die junge Frau im Rollstuhl. „Manchen bin ich einfach wurscht, andere schauen ziemlich komisch und dann gibt es die Superhilfsbereiten. Einmal Hilfe anbieten ist toll, manchmal brauche ich es ja wirklich. Aber wenn dann noch fünfmal nachgefragt wird, dann nervt mich das“. Bei den Professor_innen sorgt Christinas fahrbarer Untersatz für keine Spezialbehandlung, nur bei Prüfungen ist die Situation anders. In manchen Hörsälen ist nur in den hinteren Reihen Platz für den Rollstuhl, weshalb sie die Prüfer_innen daran erinnern muss, ihr die Prüfungsunterlagen nach hinten zu bringen.  

Herausforderung Öffis

Der Weg zur Universität ist leider nicht immer leicht zu bestreiten. Grundsätzlich haben die öffentlichen Verkehrsmittel in Graz alle die Ausstattung, Menschen im Rollstuhl zu befördern. Eine Bim oder einen Bus zu besteigen, ist ohne eine Rampe nicht möglich, die von den Fahrer_innen manuell hinunter- und hinaufgeklappt werden muss. Nur am dafür angebrachten Knopf an der Tür zu läuten funktioniert nicht, weil viele Bus- und Bimfahrer_innen Christinas Erfahrung nach nicht darauf reagieren. „Wenn du erst mal drinnen bist, kann es auch vorkommen, dass der Fahrer vergisst, wo du aussteigen willst. Dann fährst halt drei Stationen weiter, bis dein Protest irgendwann vorne angekommen ist“, grinst Christina. Sie ist zum Glück nur in Ausnahmefällen auf die Öffis angewiesen, seit drei Jahren hat sie nämlich ein eigenes Auto. Die Fahrschule PowerDrive in Graz ist die einzige, die auch ein umgebautes Auto anbietet. Durch eine Gasringanlage – einem drehbaren Ring hinter dem Lenkrad – kann sie ihr Auto, das sie liebevoll „Richard“ getauft hat, mit den Händen fahren.

Ich liebe mein Leben und würde nichts daran ändern

Nach einem Jahr im Studentenheim in der Elisabethstraße wohnt Christina seit Sommer 2016 mit einer Schulfreundin in einer Altbauwohnung. Dank des Lifts ist ihr Handicap hier kein Problem. Die Wohnung ist außerdem deutlich komfortabler als das Studentenheim. Dort gab es bei der Anmeldung ein Missverständnis, weshalb ihr zuerst eine normale Wohnung zugeteilt wurde. Auch die barrierefreie Wohnung, die sie schlussendlich bekam, war nicht optimal. Ein Bad und eine Miniküche, ein Tisch und ein Bett auf 25m2 lassen nicht besonders viel Platz, wenn man im Rollstuhl sitzt. „Davon abgesehen kann ich mich über das Studentenwohnheim aber nicht beschweren“ meint Christina, „mit einem Rolli ist es schnell mal eng“.  

„Die Türsteher sind super“

Beim Feiern gibt es des Öfteren die eine oder andere Barriere, die überwunden werden muss. „Ich bin ja gerne und auch ziemlich viel unterwegs und immer auf der Suche nach Unterhaltung“, lacht Sie. Daher ist sie im Grazer Nachtleben keine Unbekannte. Über die Clubs kann sie aber nur Positives berichten. In der Postgarage und im Kultus etwa sind die Türsteher besonders freundlich und hilfsbereit. Entweder schleusen sie Christina durch Extraeingänge wie den Lieferanteneingang hinein, oder sie tragen sie und ihren Rollstuhl hinunter und hinauf. Im Allgemeinen bevorzugt die Studentin aber sowieso Bars und „da sind die besten zum Glück ebenerdig“.

„Ich liebe mein Leben und würde nichts daran ändern“ sagt Christina. „Aber einige Dinge gibt es natürlich, die mich extrem nerven“. Manchmal ist da der Hass auf das Schicksal. In der Kindheit gab es immer wieder Situation mit anderen Kindern, die glaubten, sie müssten besonders cool sein und dadurch verletzend waren. „Ich hab mir eine Mauer aufgebaut und wer mich mobbt, der hat ein Problem“, grinst Christina.

Auf der anderen Seite ist da die Männerwelt, die manchmal Probleme bereitet. „Die Herren der Schöpfung lernen mich sitzend kennen, wir verstehen uns super und sobald sie den Rollstuhl sehen, schieben sie Panik. Ich versuche ja, mich nicht zu ärgern, aber ich tu es natürlich trotzdem“. Außerdem gibt es Menschen, die versuchen, ihr ihre Hilfe regelrecht aufzuzwängen. Dann gibt es noch andere Erwachsene, die sie wie ein Kind behandeln oder Menschen, die für sie beten wollen. Auch das Wort „Behinderte“ stört sie in einigen Aspekten. Was Parkplätze und Ermäßigungen angeht, „ist es ja nur eine Bezeichnung und macht mir überhaupt nichts. Ich nutze das ja auch aus, wo ich kann“, so Christina. „Aber darüber Späße machen, geht überhaupt nicht“.

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Fotocredit Beitragsbild: Andi Weiland | wheelmap.org (CC BY)

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