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Aus dem Leben einer Theologiestudentin- Teil 1

Ihr kennt das. Man ist mit Freunden abends nach der Uni noch schnell was Trinken gegangen und am anderen Ende des hippen Studentenlokals sitzt da dieser süße Typ, der euch schon seit geschlagenen 30 Minuten immer wieder zulächelt und seine Kumpels anstupst, sich mal gaaanz unauffällig nach euch umzudrehen. Egal ob Atheist, Agnostiker oder sonst was, irgendwann schicken wir alle ein kleines Stoßgebet Richtung – ja wohin denn nun eigentlich? – und hoffen, dass er sich einen Ruck gibt und zu euch rüber kommt.

Autorin: Ida Maria Jaritz

Allen Frauen, die sich frei von solchen sozialen Balzzwängen machen wollen, sei gesagt, dass es durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, auch als Frau einen Mann anzusprechen und die Initiative zu ergreifen. Wer auch immer sich schlussendlich dazu durchringen kann, den jeweils anderen dann auch wirklich anzuquatschen, es wird immer auf ein sich beschnuppern und kennen lernen hinauslaufen. Mal so als ersten Schritt.

credit: giphy.com

Und genau da, wo also für die allermeisten unter uns die allergrößte Hürde des Kennenlernens, der Annäherungsversuch in freier Wildbahn, genommen wurde, beginnt für mich erst der schwierige Teil. Denn:

Ich bin Theologiestudentin

Wir sind eine rare und vielleicht sogar vom Aussterben bedrohte Studenten-Spezies auf den Uni-Campussen Mitteleuropas: Die TheologiestudentInnen. In Österreich, kann man an allen offiziellen Universitäten (und zwei privaten) des Landes katholische Theologie studieren. Evangelische Theologie nur an der Uni Wien. Ich bin eine der römisch-katholischen Studentinnen und gerade, wenn ich neue Leute kennen lerne, wird mir bewusst wie „freaky“ mein Fach für viele Altersgenossen doch ist.

Es scheint so ungewöhnlich zu sein, einer jungen, attraktiven, quirligen und lebensbejahenden Frau mit diesem Hauptstudium zu begegnen (oder überhaupt jemanden zu treffen der das studiert), dass ich sehr oft ein ungläubiges: „Was? Du studierst Theologie?! Echt jetzt?!“ zu hören bekomme, nachdem ich genau das etwa fünf Sekunden zuvor kund getan habe. Klamm und heimlich sind wir discipulus theologia zu echten Raritäten und Exoten im Dschungel der unzähligen FH- und anderwärtigen Studiengänge geworden. Die fünf häufigsten Reaktionen die ich bei Erstvorstellung meiner Person und der damit zusammenhängenden Offenbarung meines Theologiestudiums so bekomme, habe ich hier für euch zusammengefasst.

  1. Der ungläubige Typ

Ich habe es oben schon mal kurz angesprochen. Der ungläubige Typ ist der, der gleich nochmal nachfragen muss, ob ich auch wirklich Theologiestudentin bin, weil er glaubt (oder hofft) sich verhört zu haben. Er schüttelt seinen Kopf, grinst ein bisschen dämlich und fragt dann im Zweifelsfall gleich nochmal nach. Theologie also. Ja wirklich. „Das is schon recht ungewöhnlich, oder?“, fragt er dann noch und ich zucke mit den Schultern. „Ganz so viele gibt’s wohl nicht von uns.“, meine ich. „Ja und warum studierst du das?“, will er dann über kurz oder lang wissen und erwartet sich die lange Version der Geschichte wie ich über ein Philosophie-Studium zur Theologie gefunden habe, angefangen habe die Bibel zu lesen und Christin geworden bin und und und.

Alles ein bisschen sehr intim und persönlich für die ersten Minuten des Gesprächs. Aber das versteht er nicht. Die vielleicht lustigste Reaktion eines ungläubigen Typens war mit dem Ausruf: „Ja aber du bist doch hübsch!“ verbunden. Für den guten Mann war es einfach nicht verständlich, wieso eine für ihn augenscheinlich attraktive Frau sich auf ein ‚Jenseits vertrösten musste‘, wenn sie doch auch in diesem Leben echte Chancen hätte. Es wäre ja lustig, wenn es nicht irgendwie auch traurig wäre…

  1. Der überhebliche Typ

Ich sage ich studiere Theologie, er schaut mich mitleidig an und ich kann förmlich sehen wie er sich denkt: ‚Oooch die Arme! Die glaubt wirklich an einen Gott?‘ Baaam! So schnell kanns gehen und man ist jede Art von Glaubwürdigkeit los. Hatte er mich zuvor noch für eine interessante und intelligente junge Frau gehalten, so bin ich jetzt wohl nicht mehr als ein armes, zurückgebliebenes Mädchen mit freudschem Vaterkomplex für ihn. In den allermeisten Fällen dieser Begegnung mit Typ zwei bin ich nach dieser Erkenntnis für nicht zurechnungsfähig erklärt, werde herablassend belächelt und nicht mehr länger als ‚ebenbürtig‘ angesehen.

Manchmal kommt es aber auch vor, dass sich der überhebliche Typ ein Herz fasst und die arme kleine Theologiestudentin bekehren will. Das endet dann meistens in einer mühsamen Diskussion darüber, warum ich mich nicht von einem Kerl, den ich und der mich gerade erst zwei Minuten kennt vom Atheismus überzeugen lasse. Also wirklich…wie kann ich nur? Eigentlich ist es sehr schade, dass mir der überhebliche Typ keine Chance auf menschlicher Ebene gibt, denn dann würde ihn vielleicht überraschen ein selbstständig denkendes und reflektierendes Wesen in mir zu erkennen.

  1. Der diskutierende Typ

Dieser Typ ist mitunter einer der schwierigsten Typen, die mir so in meinem täglichen Leben begegnen. Der diskutierende Typ ist interessiert und diskussionsfreudig, hat leider aber in den meisten Fällen so wenig Ahnung von Religion und Theologie und allem, was das beinhaltet, dass es sich mit ihm nur schwer sinnvoll reden lässt. Die eigentliche Herausforderung dabei ist, dass dieser Umstand meinem Gegenüber nicht bewusst ist und er nicht verstehen kann oder will, warum das Gespräch irgendwann ins Stocken gerät. Schwierig ist mitunter auch, dass Typ drei von mir am liebsten christliche Lehre, Gedankengut und Weisheit in fünf Minuten erklärt haben will und frustriert ist, weil das nicht zu seiner vollen Zufriedenheit funktioniert.

Gerade am Beginn meines Studiums habe ich mich mit der Frageflut und dem Wissensdurst dieser Personen sehr schwer getan, weil ich an meine kommunikativen Grenzen stieß und niemanden, der sich vielleicht ernsthaft für den Glauben interessiert, unbefriedigt zurück lassen wollte. Als Theologiestudentin, als Christin, bin ich mir meiner repräsentativen Rolle in dieser Hinsicht schon bewusst und das kann einen nicht zu unterschätzenden Druck aufbauen. Heute bin ich da, gerade beim diskutierenden Typ, viel entspannter, denn meistens geht es diesem Typ eben nur um eins: Um die Diskussion. Er will reden und nicken und seine Meinung kundtun und diesen Gefallen kann ich ihm ja tun (wenn ich genug Zeit habe).

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  1. Der wütende Typ

Der wütende Typ kommt mir in letzter Zeit nicht mehr ganz so oft unter, war gerade aber um die Zeit des Kindermissbrauchsskandals innerhalb der katholischen Kirche ein häufiger Typus. Er explodierte förmlich bei Nennung meines Studiums und viele seiner Sätze begannen mit: „Wie kannst du nur….“. Bei ihm hatte ich oft das Gefühl, persönlich für sämtliche Skandale und Verbrechen der Institution Kirche verantwortlich gemacht zu werden und zu einem direkt Schuldigen zu werden.

Ihm zu erklären, dass auch ich die Missbrauchsvorwürfe schrecklich finde und schwarze Kassen im Vatikan verurteile, macht wenig Sinn, denn dem wütenden Typ ging es eigentlich nur darum, Wut abzubauen, beziehungsweise raus zu lassen. Mit dem wütenden Typ kam es in den seltensten Fällen zu einem wirklichen Gespräch, weil es ihm darum auch überhaupt nicht ging und ich konnte und kann die Wut über Machenschaften der katholischen Kirche auch absolut verstehen, nur bin ich dafür einfach die falsche Anlaufstelle. Die Frage, warum ich trotz all der Skandale immer noch katholische Theologie studiere, lässt sicher aber sehr leicht beantworten.

Ich glaube an das Konzept von Kirche generell und den Gemeinschaftssinn der dadurch gestiftet wird. Das Problem der Kirche ist, dass sie sich „über die Dinge“ zu stellen versucht und einen höheren Anspruch an sich selbst hat, diesen aber nicht erfüllen kann. Warum? Weil sie von Menschen gemacht ist und überall dort wo Menschen sind dort ‚menschelts‘ eben, sprich dort passieren Fehler, sind Menschen korrupt und so weiter. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass man Kirche verändern kann und dafür braucht es junge Menschen wie mich. Behaupte ich jetzt einfach mal. (das ist jetzt alles natürlich sehr vereinfacht dargestellt, also ‚nagelt‘ mich bitte nicht daran fest! –haha^^ ein Theologen-Witz!)

  1. Der ehrfürchtige Typ

Der letzte meiner fünf häufigen Grundtypen ist ein interessanter Fall. Er erfährt nämlich dass ich Theologie studiere und hält mich praktisch sofort für eine Heilige. Mag auf den ersten Blick eher befremdlich wirken und ist es auch. Die Annahme, dass ich als Theologiestudentin oder generell Menschen der Kirche nämlich alleine deswegen bessere Menschen sind, stimmt so überhaupt nicht. Das wäre ja genauso, wie wenn wir davon ausgehen, dass MedizinstudentInnen auch nur alleine deswegen, weil sie Medizin studieren, gesünder sind als der Rest der Menschheit.

Ist auch unlogisch, oder? Genau. Und genauso verhält es sich mit TheologiestudentInnen. Wir wissen vielleicht ein bisschen mehr über das Heiligsein als der Durchschnitt, aber das ist es dann in den meisten Fällen auch schon. Das dem ehrfürchtigem und fast schon verherrlichendem Typen klar machen zu wollen zerstört aber fast sein kindliches Weltbild. Ganz bestürzt kam erst neulich einer von der Sorte zu mir und stellte fest, dass ich auf einer Geburtstagsfeier Alkohol trinke. Schrecklich! Ich bin mir sicher, er hat gleich dem Papst geschrieben, um ihm von diesem Treiben zu berichten.

Es nervt…

So lustig wie ich das hier vielleicht schreibe und schildere ist es aber im realen Leben (zumindest für mich) eigentlich nicht. Mir begegnet einer dieser fünf Typen so gut wie jeden Tag und nach vier Jahren Studium, in denen mein Glaube schon beim ersten Kennenlernen unweigerlich zum Thema wird, bin ich der ganzen Sache ein bisschen müde. Die für euch vielleicht brennenden Fragen, wenn ihr dann mal endlich einen der seltenen TheologiestudentInnen in die Finger bekommt, wie etwa: „Wie ist das jetzt mit dem Sex vor der Ehe?“ oder auch alles zum Thema Jungfrau Maria, beantworte ich am Tag so im Schnitt mindestens drei Mal. Und das nervt mich an schlechten Tagen ganz schön.

Warum ich nicht einfach sage, dass ich etwas Anderes studiere um diesen Gesprächen zu entgehen? Weil ich das doof finde und es irgendwie den Eindruck erweckt, dass ich mich für meine Religion und mein Studium schäme. Und das tue ich nicht! Ich liebe mein Studium, weil es vielseitig und spannend ist, mir die Möglichkeit gibt über mich selbst, den Sinn des Lebens und die Welt nachzudenken und es sich wie ein großes Abenteuer gestaltet.

Theologie zu studieren ist in jeder Hinsicht eine Entdeckungsreise, die nie zu Ende geht. Glaube ist aber dennoch etwas sehr Persönliches und im Leben eines Menschen, der eine Beziehung zu Gott sucht, mitunter auch das Wichtigste. Das scheint viele zu überraschen beziehungsweise vielleicht auch gar nicht bewusst zu sein, denn ich denke nicht, dass irgendjemand wirklich mit voller Absicht das zentrale Gut im Leben einer fremden Person innerhalb der ersten Minuten des Kennenlernens für nichtig erklären will oder lächerlich macht. Ein bisschen mehr Feinfühligkeit und Toleranz würde manch Studierendem in dieser Hinsicht wirklich ganz gut tun.

Jeder ist von Religion geprägt

Natürlich ist es wichtig an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass es durchaus auch Menschen gibt, die sich nicht weiter zu meinem Studium äußern und die ich alleine aufgrund dessen sofort in mein Herz schließe. Aber das kommt verhältnismäßig selten vor und ich kann auch verstehen warum. Theologie ist eben nicht BWL oder Jus oder sonst irgendwas in die Richtung. Religion umgibt uns in unserem Alltag, wir sind damit aufgewachsen und unweigerlich auf die eine oder andere Art nicht nur damit konfrontiert, sondern auch dadurch geprägt. So kommt es, dass jeder dazu eine Meinung und einen Standpunkt hat und diesen auch vertritt beziehungsweise durch sein eigenes Sichtfeld schon sehr eingeschränkt ist. Selbstredend sind unter den fünf Grundtypen auch immer Frauen dabei. Die ‚Maskulinisierung‘ war eine künstlerische Freiheit meinerseits.

Abschließend lässt sich also sagen, dass wir Theologinnen und Theologen es vielleicht nicht immer so einfach haben. Aber wer hat das schon? Ich studiere mein Fach jedenfalls leidenschaftlich gerne und werde mich auch weiterhin unerschrocken als Theologiestudentin outen, denn ich finde den einzigen Fehler, den wir wirklich machen können, ist nicht darüber zu reden. In diesem Sinne: Gott sei mit euch meine Lieben 😉

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