Warum ich aus dem Leben einer Theologiestudentin, also aus meinem Leben, schreibe? Der Lebenswandel und Alltag der vom Aussterben bedrohten discipulus theologia auf unseren Unis scheint, wie einer katholischen Messe gleichend, voller Mysterien für Außenstehende zu sein. Auch wenn ich es nicht als meine primäre Aufgabe ansehe all diese zu lüften, denke ich, dass uns ein bisschen Aufklärungsarbeit gegenüber den übrigen herumirrenden Studis durchaus weiterhelfen kann ;-).
Auorin: Ida Maria Jaritz
Vorweg sei gleich gesagt, dass all dies immer mit einem gewissen Augenzwinkern und in einer (hoffentlich) unterhaltsamen Weise geschieht, die nicht über alle Maße hinweg ernst genommen werden muss. Ja, wir Theolog_innen sind nicht immer tot ernst (Vorsicht! Dies könnte eine kleine theologische Anspielung sein 😉 ) und humorlos. Jedenfalls nicht alle. Naja, zumindest ich nicht. Behaupte ich jetzt einfach mal.
Für alle, die den ersten Teil aus dem Leben einer Theologiestudentin bereits gelesen haben, ist folgender Absatz vermutlich eine kleine Wiederholung, aber ich denke es ist wichtig alle Leser_innen am Beginn auf denselben Stand bzw. in dasselbe Boot (ja, auch das könnte eine theologische Anspielung sein 😉 ..Noah und Arche und so) zu holen. Also, los geht’s meine Lieben! Holt die Buntstifte und die Mandalas heraus! Zündet die Räucherstäbchen an und lasst die Weihrauch und Myrre-Schwaden eure Sinne vernebeln! Haut auf die Klangschale und stimmt ein Halleluja an, denn jetzt, tauchen wir ein wie ins Taufbecken:
In die geheime Welt einer Theologiestudentin!
Ich weiß, wie sich ein Eisbär fühlt, denn wir Theologiestudent_innen sind eine rare und vielleicht sogar vom Aussterben bedrohte Studenten-Spezies auf den Uni-Campussen Mitteleuropa. In Österreich, (ja, ich bin ein Ösi) kann man an allen offiziellen Universitäten (und zwei privaten) des Landes katholische Theologie studieren. Evangelische Theologie nur an der Uni Wien. Ich bin eine der römisch-katholischen Studentinnen und gerade, wenn ich neue Leute kennenlerne, wird mir bewusst wie „freaky“ mein Fach für viele Altersgenossen doch ist.
Es scheint so ungewöhnlich zu sein einer jungen, attraktiven, quirligen und lebensbejahenden Frau mit diesem Hauptstudium zu begegnen (oder überhaupt jemanden zu treffen der das studiert), dass ich sehr oft ein ungläubiges: „Was? Du studierst Theologie?! Echt jetzt?!“ zu hören bekomme, nachdem ich genau das etwa fünf Sekunden zuvor kund getan habe. Klamm und heimlich sind wir discipulus theologia zu echten Raritäten und Exoten im Dschungel der unzähligen FH-und anderwärtigen Studiengänge geworden und der gemeine Student weiß nicht recht wie er uns in freier Wildbahn begegnen soll.
Die zweite Phase
Im letzten Artikel ging es um die heiße Phase des ersten Kennenlernens, wenn man nach einem anstrengenden Uni Tag am Abend mit Freunden noch schnell was Trinken gegangen ist und dann über den Raum hinweg einen süßen Typen entdeckt, der sich dann vielleicht sogar dazu durchringen kann, euch anzusprechen.
Ich habe den übrigen nicht-Theolog_innen versucht zu erklären, warum das erste Ansprechen nicht die eigentliche Hürde für uns Theologiestudierende ist und die häufigsten Standardreaktionen aus meinem eigenen Studentenleben spitz formuliert zusammengefasst. Heute wagen wir uns über den ersten Schritt des Beschnupperns in freier Wildbahn hinaus und befassen uns mit einer der Fragen, die in Phase zwei meistens gestellt wird, wenn ihn die Erkenntnis, dass du Theologiestudentin bist und an einen Gott glaubst, noch nicht hat die Flucht ergreifen lassen, nämlich: „Bist du dann sehr religiös?“
Hach! Das ist eine meiner Lieblingsfragen, weil sie von so vielen verschiedenen Dingen abhängig ist. Meistens muss ich an dieser Stelle dann mal gleich eine Gegenfrage stellen und zwar die, in der ich ihn frage, ob er religiös oder gläubig meint. Ja meine Damen und Herren der Schöpfung, da gibt es einen Unterschied! Meistens verwirrt und überfordert ihn das schon und die Unkenntnis, die sich alleine in seiner ersten Frage wiedergespiegelt hat wird noch einmal untermauert. Wenn ich gute Laune, was zu trinken und Zeit habe (oder ihn wirklich ziemlich süß finde) erkläre ich ihm dann schon mal, ohne dabei in die Tiefe zu gehen, die Bedeutung der beiden Begriffe mit denen er da so ahnungslos um sich schmeißt.
Gerne antworte ich dann aber auch einfach, dass das aus mehreren (ihm offensichtlich nicht bewussten) Gründen eine schwierige Frage ist und dass das wohl auch immer darauf ankommt, was er denn für sich als ‚sehr religiös‘ empfinden würde. Bete ich? Ja. Gehe ich jeden Sonntag in die Kirche? Ja, tu ich schon. Glaube ich nur und denke nicht? Nein.
Meistens heitert diese Art mit einer, für einen gläubigen Menschen, sehr persönlichen Frage umzugehen schon die Atmosphäre ein bisschen auf und nimmt der Ernsthaftigkeit den Wind aus den Segeln. Generell finde ich es auch immer spannend, dass anscheinend einige Menschen der Meinung sind, dass gläubige Menschen keine denkend oder reflektierenden Wesen sind. Ein Typ meinte einmal zu mir: „Früher war ich auch mal gläubig, aber dann hab ich zum Nachdenken begonnen!“ „Komisch“, hab ich gesagt, „bei mir war das genau umgekehrt. Ich habe gerade über das Nachdenken zum Glauben gefunden.“
Wie viel Anteil hat Gott am Schokoladenkuchen?
Mit der Frage, wie religiös ich bin, geht dann auch meistens die Frage einher: wie viel Platz der Glaube in meinem Leben einnimmt. Ein Mann mit dem ich mich eine Zeit lang traf, stellte sie in einer besonders kreativen Art und Weise. „Was ist denn dein Lieblingskuchen?“, leitete er die Frage ein. Ich dachte zuerst er würde mir einen backen wollen und suchte nach einem sehr einfachen Kuchenrezept. „Schokoladenkuchen“, sagte ich schließlich, um ihm möglichst viel Spielraum zu lassen.
„Gut. Angenommen dein Leben wäre ein Schokoladenkuchen.“, fuhr er fort. „Wie viel Platz würde da Prozentuell von diesem Schokokuchen dein Glaube einnehmen?“ Ich war einigermaßen überrascht. „Du fragst mich wie viel Platz ich Gott in meinem Leben gebe?“ „Ja, wie viel Anteil am Schokoladenkuchen hätte er?“ „100%“, antwortete ich. Jetzt war er überrascht. „Echt jetzt?“, fragte er. „Naja, ich sage ja nicht, dass mir das immer gelingt, aber das Ziel wäre es schon.“, erwiderte ich. „Ja, aber“, meinte er dann nach einer kleinen Pause in der er ganz offensichtlich versuchte diesen Schock zu verdauen. „Dann ist da ja gar kein Platz mehr für mich!“
Es ist wohl keine große Überraschung, dass dieser Mann und ich dann kein Paar geworden sind und das nicht nur, weil er mir keinen Schokokuchen gebacken hat 😛 Aber seine Reaktion zeigt vielleicht eine weitere Problematik ganz gut auf. Gott konkurriert nicht mit jemanden um meine Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe. Gott ist all das und mehr. Durch ihn, dadurch, dass ich ihm diese Position in meinem Leben gebe, ist es mir erst möglich, anderen Menschen wirklich in Liebe zu begegnen und sie durch ihn zu lieben. Aber ich will mich hier nicht zu sehr in existentielle Debatten verirren 😉 .
Handicap Glaube?
Die dritte Frage im Bunde aller dieser Fragen der zweiten Phase, in der die Herren herausfinden wollen‚ wie „christlich“ ich denn jetzt eigentlich bin, ist die nach den „Einschränkungen“ durch meinen gelebten Glauben beziehungsweise wie ich meinen Glauben verstehe und lebe (und dabei noch so normal wirke). Diese Fragen beantworte ich immer ganz biblisch mit einem Gleichnis, das mir selbst mal in einem Gespräch eingefallen ist und das ich seither immer verwende. Ihr dürft das auch gerne, liebe Kolleg_innen, falls es euch gefällt. Wie verstehe und lebe ich für mich Glauben? Wer ist Gott für mich und wieso‚ tu ich mir das alles an?
Das Gleichnis von der Herdplatte
Ich weiß, es hört sich am Anfang vielleicht verrückt an, aber hört mir mal zu. Stell dir vor, da steht ein Herd und die Platte darauf ist eingeschaltet und damit heiß. Vor dem Herd stehen zwei Kinder und sind versucht, diesen Herd mit seiner heißen Platte für sich zu entdecken. Der Vater der beiden Kinder steht daneben und sieht das und warnt die beiden. Er sagt ihnen, dass die Herdplatte heiß ist und sie sich ordentlich die Finger verbrennen werden, wenn sie da rauf langen werden.
Der Vater liebt seine Kinder und sorgt sich um sie und warnt sie deshalb, dass sie fürchterliche Schmerzen haben werden und die Wunden eine lange Zeit brauchen werden, um wieder zu heilen, es sogar möglich ist, dass sie für immer tiefe Spuren hinterlassen werden. Kind A reagiert jetzt, in dem es dem Vater, in dem was er über die heiße Herdplatte sagt, vertraut. „Eigentlich hat mich der Papa noch nie belogen.“, denkt es. „Und ich weiß, dass er mich liebt und nur das Beste für mich will. Ich muss nicht auf die Herdplatte greifen, wenn der Papa sagt das wird mir weh tun und mir schaden. Ich glaube dem Papa, dass die Herdplatte heiß ist.“
Kind B ist sich da nicht so sicher. Es könnte ja auch sein, dass der Papa da oben auf den Herdplatten irgendetwas ganz tolles versteckt hat und nicht will, dass ich es entdecke! Vielleicht hört Kind B aber auch gar nicht zu, wenn der Vater spricht. Kind B entschließt sich im Gegensatz zu Kind A dazu, die Erfahrung mit der Herdplatte für sich machen zu wollen.
Das Gleichnis erklärt
Der Vater liebt beide Kinder gleichermaßen und liebt sie sogar so sehr, dass er ihre Natur und ihren freien Willen und ihre Entscheidungen akzeptiert (da könnten wir jetzt theologisch noch ganz viel über Schöpfung und freien Willen als ultimativen Akt der Gottesliebe zu uns diskutieren. Tun wir aber nicht.), egal wie sie ausfällt. Er schimpft nicht mit Kind B, dass auf die Herdplatte greift, sich fürchterlich verbrennt und zu weinen beginnt. Nein, der Vater nimmt sein Kind in den Arm, tröstet es, küsst es, bläst auf seine Wunden und leidet mit ihm in seinem (selbst verursachten) Schmerz.
So (oder so ähnlich; ein Gleichnis ist immer vereinfacht) sehe ich mein Glaubensleben und meine Beziehung zu Gott. Gott, der in der Position des liebenden Vaters ist und der so viel mehr weiß und versteht als ich und der nur das Beste für mich will. Der will, dass es mir gut geht und mich schützen möchte. Wie aber spricht Gott jetzt konkret zu mir und warnt mich, wie in dem Gleichnis? Durch die Bibel.
In den allermeisten Fällen wohl die sicherste Quelle 😉 Und bin ich dann als Christin immer Kind A? Haha^^ schön wärs! Aber wie schon im ersten Teil der Reihe erklärt, bin ich zu allererst Menschenkind und damit genauso anfällig, auf die diversen Herdplatten des Lebens zu greifen wie jeder andere auch. Es gelingt mir nicht immer, Kind A zu sein und manchmal erliege ich einfach dem „Drang Erfahrungen selbst zu machen“. Da ist per se nichts Verwerfliches dran und wie Gott dazu steht, kommt im Gleichnis oben ganz gut heraus, denke ich.
Wie immer man zu Paulus stehen mag (und unter uns gesagst stehe ich mit ihm meistens auf Kriegsfuß), im ersten Korintherbrief steht eine meiner Lieblingsstellen, die ich immer gerne zitiere in solchen Situationen und Fragen:
Alles ist erlaubt, aber nicht alles nützt; alles ist erlaubt, aber nicht alles erbaut. (1 Kor 10;23).
Ich fühle mich durch meinen Glauben und praktizierenden christlichen Lebensstil nicht „behindert“ oder „gehindert“, das Leben voll auszukosten. Ganz im Gegenteil! Ich schätze mal, das war genug Einsicht aus dem Leben einer Theologiestudentin für heute, oder?
In diesem Sinne: Gott sei mit euch meine Lieben und bis zum nächsten Mal! 😉