Gemeinsam machen wir im Zuge der Parade darauf aufmerksam, dass wir als Gesellschaft noch viel zu tun haben.
Jedes Jahr wird in zahlreichen Ländern weltweit der Christopher Street Day, kurz CSD, begangen. Es ist ein Tag voller Regenbogenfahnen, Transparente und Aktivismus für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transidenten, intergeschlechtlichen und queeren Personen.
Es ist ein Tag des Gedenkens, der Demonstration gegen Diskriminierung und auch des Feierns bisher erreichter Meilensteine in der Entkriminalisierung und Gleichberechtigung. In englischsprachigen Ländern wird der CSD „Gay Pride“ oder inklusiver einfach „Pride“ genannt. Pride wie Stolz, da alle Menschen das Recht haben, sich selbst zu verwirklichen und niemand ihre*seine Identität oder sexuelle Orientierung aus Angst vor Benachteiligung oder Verfolgung verstecken müssen sollte!

Stonewall Riot
Seinen Ursprung hat der Christopher Street Day im ersten gesellschaftspolitisch wirksamen Widerstand gegen Polizeiwillkür gegenüber homosexuellen und transidenten Personen in New York: Im Jahr 1969 widersetzte sich eine große Gruppe
von Personen der Festnahme bei einer Razzia in der Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street. Die Folge war eine mehrtägige Auseinandersetzung zwischen Lesben*, Schwulen*, Transgender*-Personen und der Exekutive um Anerkennung und Gleichberechtigung, die auch als „Stonewall Riot“ bekannt wurde. Besonders People of Colour waren Opfer von polizeilicher Willkür und Misshandlungen, die sich die Menschen nicht länger gefallen ließen. Außerdem war es bei derartigen Razzien eine gängige Methode die Identitäten der Anwesenden festzustellen und in den Medien veröffentlichen zu lassen. Diese Zwangsoutings führten zu massiven sozialen Nachteilen. Bereits im Jahr nach den Auseinandersetzungen fand der erste Gedenktag mit einem Straßenumzug statt, der die weltweite Tradition der Pride-Paraden begründete.
Der CSD erreicht Europa
Diese Art des Sichtbarmachens alternativer Lebens- und Liebensweisen und des Rechteeinforderns für eben diese kam erst acht Jahre später in Europa, nämlich in Zürich, an. In Deutschland begann die CSD-Bewegung 1979, die sich zögerlich unter uneinheitlichen Bezeichnungen verbreitete. Ziel dieser Demonstrationen war unter anderem die Abschaffung des § 175 des deutschen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen zwischen Männern kriminalisierte. Erst 1988 wurde der Paragraf in der DDR nach mehreren Änderungen, meist Verschärfungen, ersatzlos gestrichen und 1994 existierte er auch im wiedervereinigten Deutschland nicht mehr.
Österreich hat eine ähnliche Geschichte, denn bis 1971 war Homosexualität hier strafbar. Gesonderte Altersgrenzen für sexuelle Beziehungen zwischen hetero- und homosexuellen Paaren galten sogar bis ins Jahr 2000 (§ 209), wobei es für lesbische Beziehungen keine erhöhte Altersgrenze gab, was illustriert, dass sie lange nicht ernst genommen wurden. Seither hat sich einiges getan, die Gesellschaft ist in weiten Teilen der Welt aufgeschlossener geworden, übt sich in Toleranz und Akzeptanz gegenüber Menschen im LGBTIQA*-Spektrum. Dennoch gibt es noch viel zu tun! Politische Machtwechsel führen mitunter zu einer schlechteren Stimmung und erneuten Verschärfungen der Gesetzeslage, zum Beispiel die US-amerikanische Regierung unter Trump oder die türkis-blaue Regierung in Österreich.
Neueste Entwicklungen
Während in Deutschland seit 2017 die Ehe für alle umgesetzt wurde, dauert es in Österreich noch bis 2019, bis die ersten gleichgeschlechtlichen Paare die Ehe schließen und gemischtgeschlechtliche Paare die eingetragene Partnerschaft beantragen können. Der Verfassungsgerichtshof hebt diese zwangsweise Unterscheidung als Verletzung des Diskriminierungsverbots mit 31.01.2018 auf. Deutschland ist uns auch in Sachen „dritter Option“ voraus, die bedeutet, dass es neben weiblich* und männlich* eine weitere Möglichkeit des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister geben soll (etwa anders, divers, inter* oder X). Mit 31.12.2018 muss der Gesetzgeber wegen aktuell vorliegender Verfassungswidrigkeit des Personenstandsgesetzes hier eine Entscheidung treffen. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat unterdessen eine Prüfung des Personenstandsgesetztes beschlossen, deren Ergebnis noch 2018 feststehen soll. Ein großes Anliegen der Inter*aktivist*innen ist es, geschlechtsangleichende Operationen an Kindern aufzuhalten, bis diese selbst über ihre Körper bestimmen können. Der Rahmen, keinem weiblichen* oder männlichen* Rollenbild entsprechen zu müssen, könnte auch Eltern in tergeschlechtlich geborener Kinder entlasten.
Graz bekommt eine Parade
In Wien zieht 2018 bereits die 23. Regenbogenparade über den Ring. Eine Gedenkminute ist fixer Teil der Veranstaltung, die an Menschen erinnern soll, die an AIDS verstarben oder Gewaltverbrechen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zum Opfer fielen. 2014 gingen die queer Referate Graz erstmals in Form einer Pride-Parade auf die Straße, um für gleiche Rechte und gleiche Chancen aller Menschen zu demonstrieren, nachdem sich in Graz bisher keine Organisation an die Veranstaltung einer Parade wagte. Sie war ein großer Erfolg und verlangte nach Wiederholung! Heuer findet die Parade zum fünften und bestimmt nicht zum letzten Mal statt. In den letzten Jahren kamen bei den Kundgebungen beispielsweise NaGeH, „mein Name, mein Geschlecht, meine Hochschule“, die sich dafür einsetzen, Anerkennung von trans, inter* und nicht-binären Personen an österreichischen Universitäten zu erreichen, TransX, Verein für Transgender-Personen, und die Jugendgruppe „Ausufern“, die Angebote für Personen unter 26 Jahren schafft, zu Wort.
Gemeinsam machen wir im Zuge der Parade darauf aufmerksam, dass wir als Gesellschaft noch viel zu tun haben, um gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen. Auf Transparenten ist deshalb unter anderem zu lesen: „Labels are for clothes“ (Beschriftungen sind für Kleidung), „My genitals do not define me“ (Meine Genitalien machen mich nicht aus), „Gleiche Liebe, gleiche Rechte”. Es gilt nicht nur zu feiern, was bisher erreicht wurde, sondern auch an einem Tag im Jahr lautstark darauf hinzuweisen, dass es nicht nur Frauen* und Männer* gibt, nicht nur hetero- und homosexuelle Menschen, nicht nur monogame Beziehungsmodelle. Du musst übrigens nicht queer sein, um die Sache zu unterstützen!
Programm des CSD Graz 2018:
www.homo.at/aktivitaeten/parkfest
Kontakt:
queer Referate
der ÖH Uni Graz, HTU Graz und ÖH Med Graz
Website
Facebook
Instagram
queer@oehunigraz.at
Autorin: Sarah S. Schindlbacher (queer Referate Graz)
Erschienen in der Print-Ausgabe Mai 2018
Quellen:
Wikipedia: CSD, Stonewall, §175
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