Alina Jung studierte den individuellen Master „Gender and International Law“ und präsentierte ihre Masterarbeit zum Thema „Legal and Actual Access to Justice from a Gender Specific Perspective. A Case Study of Israeli Asylum Law“ im Rahmen der NORA Conference 2019 in Reykjavik, Island. Hier berichtet sie warum es gerade als Nachwuchswissenschaftlerin wichtig ist auf Konferenzen zu sprechen und Bauchentscheidungen wichtiger sind als Ängste.
Vom 22. bis 24. Mai 2019 nahm ich an der diesjährigen NORA Conference an der University of Iceland, in Reykjavik teil. NORA steht für „Nordic Journal of Feminist and Gender Research“ und ist ein akademisches Journal. Die multidisziplinäre und internationale Zeitschrift für feministische Genderforschung versucht aus der Perspektive der nordischen Länder auf das internationale Forschungsfeld feministischer und geschlechtsspezifischer Forschung zu blicken und diese Forschung wiederum international sichtbar zu machen. Dementsprechend gibt es eine große Bandbreite an Disziplinen, Themen und Herangehensweisen.
Als englischsprachige Zeitschrift setzt sich NORA dafür ein, die Breite und Tiefe der nordischen feministischen und geschlechtsspezifischen Forschung zu erfassen und zu verorten. Dadurch soll auch ein transnationaler und transdisziplinärer Dialog gefördert werden.
Die Konferenz 2019 trug den Untertitel „Border Regimes, Territorial Discources and Feminist Politics“. Da ich meine Masterarbeit über den rechtlichen und tatsächlichen Zugang zu Gerechtigkeit im Asylverfahren von eritreischen Frauen in Israel schrieb, lag eine thematische Nähe auf der Hand.
Bereits im Sommer 2018 wurde ich auf den „Call for Abstracts“ aufmerksam und spielte mit dem Gedanken die Chance zu nutzen, um meine Masterarbeit dort zu präsentieren. Die Veranstaler_innen freuen sich über junge Wissenschaftler_innen, daher fördern sie die Teilnahme zum Teil finanziell und heißen in den meisten Fällen auch Masterarbeiten willkommen.
VORBEREITUNG – CALL FOR ABSTRACTS – FINANZIERUNG
Um überhaupt auf einen solchen „Call for Abstracts“ aufmerksam zu werden, ist es von Vorteil auf diversen Mailinglisten (s. Infobox) eingetragen zu sein. An dieser Stelle möchte ich alle Leser_innen motivieren einen Abstract zu verfassen und sich zu bewerben. Was gibt es schon zu verlieren? Im schlimmsten Fall hört ihr nie wieder von den Veranstalter_innen oder bekommt eine Absage. Im besten Fall könnt ihr einem größeren Publikum eure Arbeit vorstellen, bekommt Feedback, habt die Möglichkeit euch aus einer neuen Perspektive mit eurer Arbeit auseinanderzusetzen und die harte Arbeit war nicht umsonst. Wer möchte schon, dass die eigene Abschlussarbeit im Keller der Universitätsbibliothek verstaubt? Ende November 2018 war die Deadline für die Abstracts und Ende Januar 2019 kam die freudige Nachricht: Ich darf nach Reykjavik reisen und auf der Konferenz vortragen.
Leider sind solche Konferenzteilnahmen ziemlich kostspielig. Hinzu kommen die Anreise und Unterkunft. Gerade weil Teilnahmen an Konferenzen ein wichtiger Aspekt des wissenschaftlichen Arbeitens darstellen und Netzwerken bekanntlich die halbe Miete ist, sollte niemand selbst so tief in die Tasche greifen müssen. Es lohnt sich bei der ÖH, deinem Institut, der Universität oder sonstigen Fördergeber_innen nachzufragen. Vor allem wenn du selbst präsentierst und nicht nur teilnehmen möchtest, solltest du gute Chancen auf eine Förderung haben.
WAS IST EINE GUTE PRÄSENTATION?
Mir war es wichtig, dass ich die Zeitangaben der Veranstalter_innen nicht überschreite und die 20 Minuten einhalte. Es gibt nichts nervigeres als ausartende Präsentationen ohne roten Faden, denen niemand mehr folgen kann, weil sie u.a. zu lang sind. Im Vorfeld bin ich meine Präsentation sowieso durchgegangen und habe sie geübt, indem ich sie laut zu Hause vorgetragen habe. Ein Blick auf die Uhr schadet dabei sicher nicht. Außerdem lässt sich so auch ein freies Vortragen oder doch zumindest lebhaftes Ablesen des Vortrages üben. Leider habe ich feststellen müssen, dass die wenigsten Teilnehmer_innen n der Lage waren eine ansprechende Präsentation zu halten. Es gab Fälle, in denen nach fast 30 Minuten abgebrochen wurde und die bzw. der Vortragende noch nicht dazu kam die Ergebnisse vorzustellen. Ebenfalls ärgerlich ist es, wenn etwas vorgetragen wird, was nicht auf den Folien zu finden ist. Das ermüdet und mindert die Konzentrationsfähigkeit.
Dank guter Vorbereitung war ich dann auch nicht nervös und habe meine Forschung vor einem interessierten Publikum präsentiert. Es war besonders spannend festzustellen, welche Aspekte die Zuhörer_innen fesselten und an welchen Stellen nachgefragt wurde. Dadurch habe ich auch selbst nochmal einen neuen Blick auf meine Arbeit erhalten.
SMALL TALKEN UND NETZWERKEN
Die Nervosität bezüglich meines eigenen Vortrags hielt sich zwar in Grenzen, aber ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie es in Mittags- und Kaffeepausen sein wird. Wie komme ich ins Gespräch und könnte es unangenehm sein, weil ich ganz allein dort bin? Im Gegensatz zu meiner Präsentation konnte ich mich nicht konkret auf diese Situationen vorbereiten und habe beschlossen, mich nicht selbst unter Druck zu setzen. Das war eine weise Entscheidung.
Im Endeffekt ergibt es sich von alleine. Wo ist noch ein freier Patz beim Mittagessen? Gibt es Menschen, die mich anlächeln und sympathisch wirken? Diese Menschen gibt es sicher immer und dann setze ich mich einfach dazu. So eine Konferenz kann jedoch auch sehr anstrengend sein und es ist genauso legitim die Pause zum Entspannen und für die eigene quality time zu nutzen. Es gibt keinen Grund sich dem ständigen Leistungsdruck perfekt performen zu müssen zu beugen. Die eigene Forschung und Person müssen nicht vermarktet werden. Habt kein schlechtes Gewissen, wenn ihr die Sonne genießen wollt oder mit Leuten über etwas ganz anderes als die Forschung redet. In diesen Situationen sind Bauchentscheidungen meist die richtigen.
Und damit möchte ich nochmal an sämtliche Ängste appellieren: Sorry, aber ihr habt nun wirklich keine Berechtigung. Allein die Tatsache, sich bei einer Konferenz zu bewerben und dann auch noch genommen zu werden, finde ich großartig. Vor Ort habe ich mir die Freiheit genommen und selbst entschieden, wann ich „socializen“ möchte und wann ich meine Ruhe brauche. Und siehe da: Es hat bestens funktioniert.
Ich habe viele inspirierende und wertschätzende Nachwuchswissenschaftler_innen und Professor_innen kennengelernt. Wir haben uns über unsere Forschungen und Schwierigkeiten im „System Uni“ ausgetauscht, aber auch über alltägliches und unsere Abendplanung gesprochen. Solltet ihr mal nach Island reisen, lasst euch unter keinen Umständen die lokale Musikszene entgehen. Die Getränkepreise wirken zwar abschreckend, aber auch bei einem Glas Leitungswasser lässt es sich mit den frisch kennengelernten Menschen tratschen, tanzen und lachen.
Ich halte bereits Ausschau nach den nächsten „Call for Abstracts“ und freue mich auf weitere Erfahrungen und Anregungen. Meiner Meinung nach kann nur so eine emanzipierende und ermutigende Wissenschaft, die noch dazu über den eigenen Tellerrand schaut, funktionieren.
Springt über euren eigenen Schatten. Es lohnt sich.
Autorin: Alina Jung
Bildrechte: https://nora.hi.is
weitere Informationen:
E-Mail-Verteiler für feministische und geschlechterspezifische Forschung
Fem@le – Österreichweiter Verteiler: https://mailman.jku.at/mailman/listinfo/female-l
Verteiler Graz: http://list.uni-graz.at/mailman/listinfo/verteiler.graz.koordgff
Zentrum News HU Berlin: https://sympa.cms.hu-berlin.de/sympa/subscribe/zentrum-news
Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin: http://www2.gender.hu-berlin.de/ztg-blog/