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Spieglein, Spieglein an der Wand

Nina Köstl über Körperkult, Schöneheitswahn und ungesunde Ideale

„Der Abstand zwischen ihren Augen ist so groß“, „Der Typ ist so hässlich, der kriegt nie eine ab“, „Auf dem Foto sieht sie aus wie ein Mann“, „Oh Gott, wie kann man sowas reinstellen?“, „Ihr Körper ist gut, aber ihr Gesicht kann gar nichts“

Diese und ähnliche Sätze sind für viele von uns Alltag geworden. Meistens realisieren wir gar nicht, dass wir sie in den Mund nehmen, falls doch, finden wir es aber auch nicht wirklich schlimm, denn: Wir haben mit unseren Ansichten ja recht! Was fällt zum Beispiel unserer ehemals besten Freundin ein, ein Bikinifoto auf Instagram zu posten, auf dem alle ihre Cellulite zu Gesicht bekommen? Was denkt sich unser Nachbar dabei, uns unseren Tag mit seinem pickeligen Gesicht auf Snapchat zu verderben? Meine Cousine weiß offensichtlich nicht wie billig sie sich gibt und die Mutter meiner Studienkollegin denkt auch, sie ist wieder 20. Das Einmischen in das Leben anderer ist für uns so einfach wie nie zuvor und je mehr Angriffsfläche geboten wird, desto besser der Gesprächsstoff.
Instagram, Snapchat, Facebook und Co. spielen in unserem Leben mittlerweile eine ganz zentrale Rolle. Durch Social Media bekommen wir Einblicke in das private Leben von Menschen, die uns normalerweise verborgen bleiben würden. Unsere Profile definieren unser Leben. Sie spiegeln unsere Lebenseinstellung wider, zeigen die Dinge, die wir lieben und sollen anderen unser perfektes ICH vor Augen führen. Dafür darf dann schon auch mal geschummelt werden. Das Bild sieht zu düster und langweilig aus? Kein Problem, das Wasser wird etwas türkiser gefärbt und die Sonne fügt man einfach später noch ein. Das Gesicht vielleicht noch etwas schmaler, Augen glänzender, Lippen größer und Hautfarbe gesünder gemacht, zum Abschluss das Ganze noch ein wenig aufhellen, denn wir wollen ja, dass es auch farblich in unser Profil passt. Die wirkliche Welt ist schön, nur leider nicht schön genug für Social Media.

Was sich anhört wie eine einfache Spielerei, kann unbewusst starke negative Auswirkungen auf unser Lebensgefühl haben. Immer mehr der sogenannten „Influencer“ sehen diese Angelegenheit genauso und haben mit #bodypositive eine ganz neue Bewegung in Schwung gebracht. Sie posten Bilder, auf denen sie nicht perfekt aussehen. Bilder, auf denen man ihre NATÜRLICHEN Kurven und ihre UNBEARBEITETEN Makel zu sehen bekommt. Trotz einiger negativer Reaktionen erreicht dieser neue Trend ein immer größer werdendes Publikum. Auch bekannte Persönlichkeiten schließen sich dem an, so zum Beispiel der britische Fotograf John Rankin Waddell, der unter anderem schon Berühmtheiten wie Heidi Klum, Gisele Bündchen und Keira Knightley vor der Linse hatte. Mit seiner Fotoserie „Selfie Harm“ will Rankin zeigen, was die sozialen Medien und unser derzeitiges Schönheitsideal, das sich offensichtlich immer mehr von Natürlichkeit distanziert, mit jungen Menschen anrichten können. Er fotografierte 15 Teenager im Alter von 13-19 Jahren. Auf seinen Fotos waren die Mädchen und Jungen kaum geschminkt und wirkten sehr natürlich. Anschließend ließ er sie ihre Bilder selbst bearbeiten und zwar so lange, bis sie sie für „Social-Media-tauglich“ hielten. Die Ergebnisse sind wirklich erschreckend. Auf den bearbeiteten Fotos sind die jungen Menschen nicht nur kaum noch zu erkennen, sondern sehen tatsächlich aus wie Puppen. Glänzende Knopfaugen, dicke Lippen, makellose Haut und rote Wangen, von Natürlichkeit kann nicht mehr im Entferntesten die Rede sein.

Mit seinem Projekt wollte Rankin die negativen Folgen zeigen, die falsche Vorbilder bei jungen Menschen anrichten können. Etwas widersprüchlich ist allerdings seine offensichtlich enge Freundschaft zu Topmodel Heidi Klum, von der neuerdings ein sehr interessantes Quiz im Netz die Runde macht. Bei diesem Quiz hat man die Aufgabe, die Aussagen der Germanys Next Topmodel-Mama von den Äußerungen des US-Amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu unterscheiden. Was sich einfach anhört, ist tatsächlich schwerer zu bewältigen als man denkt, denn mit Aussagen wie: „Bist du schwanger geworden, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben?“ oder „Du bist wie eine mäßige Mahlzeit: ganz lecker, aber ziemlich fad!“, macht sich Klum nicht gerade zum frauenachtenden Vorbild.

Ohnehin verloren die extrem schlanken, kurvenlosen Supermodels in den letzten Jahren sehr an Attraktivität, denn: „Strong is the new skinny“. Nun ist es nicht mehr wichtig möglichst abgemagert und ungesund auszusehen, sondern sich mit antrainierten Rundungen und einem gesunden Lifestyle zu präsentieren. Das Essen muss genau abgewogen werden und wehe es kommt eine Kalorie zu viel auf den Teller. Im Fitnessstudio sieht man kaum jemanden, der ungestylt ist, denn: woher soll sonst der perfekte Instapost kommen?
‚Nie Genug – Der Körperkult in sozialen Medien‘ ist ein Film der Wiener Filmproduzentin Jennifer Rezny, in dem sie Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, mit den unterschiedlichsten Ansichten interviewt. Die Philosophin Bettina Zehetner, die man im Film ebenfalls zu sehen bekommt, spricht einen erschreckenden Punkt an. Sie ist der Meinung, dass unsere Gesellschaft immer weniger Wert auf Natürlichkeit und natürliche Schönheit lege. Wichtiger und akzeptierter sei es mittlerweile, schwer für seine „Schönheit“ zu arbeiten. Nicht mehr die natürliche Schönheit stehe im Mittelpunkt, sondern die hart erarbeitete. Dabei spielt es gar keine Rolle, wie diese Schönheit erlangt wurde, ob durch monatelange Diäten, einen strengen Fitnessplan, oder aber sogar durch den ein oder anderen operativen Eingriff. Wichtig ist einzig und allein das Ergebnis, das dann selbstverständlich sofort stolz auf Facebook, Instagram und Co. präsentiert wird. Dreht sich jedoch das ganze Leben nur darum, wie man bei anderen ankommt, wie man seinen Körper, seine äußere Schale in Szene setzen kann, bringt uns das in einen Teufelskreis und wir werden niemals genug bekommen. Wie die Psychotherapeutin Harriet Vrana sagt, sei Schönheit nun einmal vergänglich. Im Alter wird vielleicht nicht jeder oder jede von uns schöner, die Persönlichkeit jedoch werde laut Vrana meist interessanter. Beschäftigt man sich nun aber jahrelang nur mit seinem Äußeren, stellt sich die Frage, ob die Persönlichkeit überhaupt den nötigen Platz findet, um zu wachsen.

Es ist wichtig das Thema Schönheitsideale ernst zu nehmen, vor allem durch den erleichterten Zugriff, den uns die sozialen Medien bieten. Es ist wichtig den jüngeren Generationen ans Herz zu legen, dass ihnen die ganzen Likes und Follower, die ganzen „Fans“ niemals geben können, was ihnen das tatsächliche Leben bieten kann und es ist für uns alle wichtig zu verstehen, dass Geschmäcker eigentlich verschieden sind und wir uns nicht zu eintönigen, identen Menschen machen lassen dürfen.

Quellen:
Film: Nie Genug – Der Körperkult in Sozialen Medien
Quiz: https://www.wz.de/panorama/wer-war-s-heidi-klum-oder-donald-trump_aid-36792893
Projekt: „Selfie Harm“ – Rankin: https://rankin.co.uk/special-projects/#/pic0

 

Autor: Nina Köstl

Bildquelle: Pexels

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