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Psyche mit Corona

„Na wie ging´s dir in der Selbstisolation?“ Eine Frage die, so scheint mir zumindest, die gute alte Höflichkeitsfloskel „Wie geht´s dir?“ ersetzt hat. Die beiden eint die Tendenz zur unehrlichen Antwort „Gut/Geht so, und dir?“, was in beiden Fällen selten die Realität wiederspiegelt.

Ob ich eine leicht depressive Phase während des Lockdowns im März/April hatte? Absolut! Damit bin ich laut Ergebnissen der Donau Uni Krems auch nicht alleine: Statt 4% der österreichischen Bevölkerung leiden durch Corona etwa 20% an depressiven Symptomen. Der Verlust des normalen Alltags, der oft nicht genug wertgeschätzten Struktur, hat unserer Psyche einiges abverlangt. Mit Gewohnheiten zu brechen, wie auch dem eigenen Alltag ist zuerst einmal ungewohnt und wird dann fast zum Entzugserlebnis. Dinge, die wir für selbstverständlich halten, sind es plötzlich nicht mehr und es ist irritierend, wenn wir ein liebgewonnenes Muster wie z.B. Hände schütteln, nicht ausführen können. Die einen werden nostalgisch und fragen sich, ob es jemals wieder wie früher wird, während manch andere zuversichtlich in die Zukunft blicken und die #lifegoals in den eigenen vier Wänden suchen, mittels Bananenbrot backen und Homeworkouts. Die neue Leere des Alltagsstresses im Lockdown hat uns schmerzlich erfahren lassen, wie selbstverständlich wir unser eigenes Hamsterrad vermissen bzw. dass wir dieses überhaupt vermissen können.

Unter den durch Corona bedingten Einschränkungen haben besonders junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren gelitten – dabei sind Frauen, Singles und Menschen ohne Arbeit am Stärksten betroffen. Gerade im jungen Erwachsenenalter, in dem wir doch alle versuchen, irgendwo unseren Platz zu finden, gehört es dazu, viel unterwegs zu sein, sich in verschiedenen Bereichen auszuprobieren und eher auf einer höheren Geschwindigkeitsstufe zu leben als Senior*innen. Menschen ab 65 fühlten sich durch die Covid-19 Maßnahmen weitaus weniger belastet, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus unter anderem auch dazu dienen, diese Bevölkerungsgruppe zu schützen. Aber nicht nur die fehlende Struktur setzt uns zu, vor allem ist es das oft fehlende Gegenüber sowie der fehlende körperliche Kontakt. Die Sehnsucht nach Berührung ist eines unserer zutiefst menschlichen Bedürfnisse.  Dabei wird zudem das Hormon Oxytocin, auch als Kuschelhormon bekannt, ausgeschüttet, was unser Wohlgefühl und Vertrauen fördert und Angst eindämmt. Eine körpereigene „Feelgood-Droge“, die wir gerade in herausfordernden Zeiten der Pandemie dringend bräuchten. Dass uns außerdem ohne ein physisches Gegenüber wesentliche Informationsquellen wie z.B. Gestik, Körperhaltung etc. fehlen, stresst unser Gehirn, weil es so schwerer fällt, andere einzuschätzen, ganz abgesehen davon, dass wir ein Gegenüber brauchen um unsere eigene „Ich“-Identität zu bilden, was ja ein fortwährender Prozess ist. 

Ich bin jedenfalls froh, mich nach Wochen der Selbstisolation wieder auf andere beziehen zu können, und hoffe, die neue Distanz bald wieder verlernen zu können. Der imaginäre Babyelefant und einige andere Corona-Maßnahmen werden uns wohl noch eine Zeit erhalten bleiben. Achten wir insbesondere in dieser Zeit besonders auf unsere psychische sowie physische Gesundheit. Der steirische Landesverband für Psychotherapie hat einige hilfreiche Tipps aufgelistet, um besser durch die Krise zu kommen, sowie einige wichtige Hotlines zu seelischer Unterstützung per Telefon angeführt.
https://www.stlp.at/informationen-zum-coronavirus-fuer-patientinnen/

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