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Interview mit Stressforscherin Magdalena Wekenborg

Wer bist du?

Mein Name ist Magdalena Wekenborg und ich bin Postdoktorantin (eigentlich) in Deutschland an der Biopsychologie an der TU Dresden. Aber ich bin gerade für einen Forschungsaufenthalt in Graz im Arbeitsbereich der Gesundheitspsychologie. Mein Hauptinteresse ist dabei die Stressforschung. Bereits in Deutschland habe ich eine große Studie zum Thema ‚Burnout‘ gemacht bzw. die Studie läuft auch noch. Dabei erheben wir über mehrere Jahre, warum eben mehrere Leute ein Burnout kriegen und warum andere nicht. Ich habe schon im ersten Bachelorsemester meines Psychologiestudiums direkt nach der ersten Vorlesung bei der Biopsychologie angefragt, ob ich dort arbeiten kann, weil mich das Thema sofort gepackt hat. Dann habe ich in den Semesterferien immer wieder verschiedene Forschungspraktika (auch im Ausland) gemacht. Diese Praktika waren dann eben in Abteilungen, die sich mit Biopsychologie und Stress beschäftigt haben und zur Promotion bin ich an den Lehrstuhl, der sich explizit auf Stressforschung spezialisiert hat und da bin ich jetzt auch habilitiert.

Warum hat du genau die Stresspsychologie als dein Hauptinteresse ausgewählt?

Weil ich finde, dass es total nah am Leben ist und Stress sowas alltäglich ist was uns umgibt und eigentlich ja auch was Positives, weil wenn wir Stress empfinden, dann setzt das ja auch ganz viel Energie frei und wir können eben die Dinge bewältigen, die wir bewältigen müssen. Das kennt man vielleicht auch beispielsweise bei Prüfungen an der Universität: Wenn man vor einer Prüfung keinen Stress empfindet, ist man dann im Endeffekt gar nicht so gut, weil man gar nicht so die Energie hat, um die Prüfung zu schaffen. Deshalb ist Stress etwas Gutes. Wenn man nun aber längerfristig gestresst ist, dann kann das krank machen. Genau diese beiden Seiten, also positive sowie negative Aspekte von Stress, finde ich an der Stresspsychologie so spannend.

Was genau findest du so spannend an diesem Bereich, neben den negativen und positiven Aspekten von Stress?

Ich find es vor allem auch spannend, dass Studierende sehr gestresst sind und das unter COVID nur noch zugenommen hat. Also das wirklich fast jeder zweite Studierende über mentale Probleme berichtet und sehr viele auch sagen, dass sie dauerhaft gestresst sind. Deshalb finde ich es sehr interessant zu schauen, was im Alltag so stresst oder warum manche Menschen halt besser mit Stress umgehen als andere. Da ich aus Biopsychologie komme, schau ich mir da eben gerne an, was ist im Körper anders ist bzw. was sich dann eben im autonomen Nervensystem oder in verschiedenen Stressachsen unterscheidet.

Hast du schon etwas herausgefunden, was am Körper bei Stress anders ist?

Der Hauptfokus meiner Forschung liegt auf der Erschöpfung, also ich weiß nicht, ob ihr schonmal von Burnout gehört habt, da ist ja das Hauptmerkmal die Erschöpfung und da konnte ich tatsächlich schon in einem großen Sample zeigen können, dass die Herzratenvariabilität (= Marker für die Flexibilität des autonomen Nervensystems), über Jahre vorhersagen kann, ob man irgendwann eine Erschöpfung entwickeln wird oder nicht. Das heißt dann, dass Leute, deren autonomes Nervensystem flexibler ist, eher davor geschützt sind eine Erschöpfung zu entwickeln. Ich finde das so interessant, weil man das autonome Nervensystem bzw. dessen Flexibilität trainieren kann, beispielsweise, wenn ich viel Sport mache, mich gesund ernähre oder mit dem Rauchen aufhöre. In diesen Fällen verbessert sich das Ganze, was einfach bedeutet, dass ich selbst mitwirken kann, auf Dauer nicht erschöpft zu werden, selbst wenn ich Stress habe.

Das möchte ich mir auch in Graz in einer Studie im Alltag von Menschen anschauen. Sonst haben wir die Leute immer nur gefragt wie gestresst sie waren, aber das ist immer ein bisschen schwierig, da bei Stress immer die letzten Tage mitbeeinflussen – da die Erinnerung eben so ist, dass man sich an diese Tage am besten erinnern kann. In Graz im Arbeitsbereich der Gesundheitspsychologie gibt es aber eine Methode, bei der man die Leute direkt übers Smartphone im Alltag fragen kann, wie gestresst sie gerade sind. Ich möchte mir anschauen, ob man hier den Zusammenhang mit der autonomen Flexibilität auch findet, wenn es quasi direkt im Alltag ist. Deswegen bin ich auch hergekommen, um eben diese Methodik zu lernen!

Die Studie läuft gerade. Also wer Lust hat mitzumachen und etwas über das eigene Stresslevel im Alltag zu erfahren, kann sich gerne bei mir melden! (Ambuex-studie@gmax.at)

Also war das der einzige Grund für dich nach Graz zu kommen?

Ja schon, weil es eben die Methode mit der Befragung im Alltag gibt, die Ecological Momentary Assessment (EMA) heißt. Bei dem EMA werden quasi im Alltag durch Apps Fragebögen geschickt und aber gleichzeitig auch die Herzrate beobachtet, in dem man an ein mobiles Langzeit-EKG angehängt wird. Diese Methode, die hier in Graz durchgeführt wird, ist eine Besonderheit in diesem Arbeitsbereich. Also das Fragen im Alltag machen viele Forschende, aber diese Methodik so gut ausgearbeitet zu haben ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal von Graz.

Bist du dann eigentlich auch oft gestresst, obwohl du dich so ausgiebig mit dem Thema befasst?

Ja, tatsächlich öfter mal! Also es ist auf jeden Fall ein Thema, das mich selbst auch beschäftigt. Vor allem auch, wie man ein gesundes Level an Stress schafft ist auf jeden Fall für mich auch eine Frage.

Gibt es etwas, dass dir beim Thema Stress noch am Herzen liegt und du noch loswerden möchtest?

Ja, allerding! Ich habe aus Umfragen gelesen, dass für rund 90% der Studierenden mentale Gesundheit irgendwie ein Tabuthema ist und man das gar nicht anspricht, wenn man sich erschöpft fühlt. Das Problem bei Erschöpfung ist nun aber auch, dass es mit Depression zusammenhängt. Zuerst kommt der chronische Stress, danach die Erschöpfung und daraus kann dann eine Depression folgen. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man sich Hilfe holt, wenn man merkt, dass man über längere Zeit erschöpft ist, damit man nicht in die Depression rutscht. Mit ist das sehr wichtig, vor allem finde ich, dass das Thema enttabuisiert werden sollte, weil man was machen kann und man sollte auch was machen, bevor man eine psychische Erkrankung wie eine Depression hat, die schwerwiegende Folgen mit sich trägt.

Autorinnen: Hanna Dornhofer, Magdalena Wekenborg

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